„GINGER BAKERS Katalog wurde leider teilweise lieblos und unvollständig und in nicht akzeptabler Qualität veröffentlicht. Wir sind entschlossen, dies zu ändern und Ginger seinen Platz in der Geschichte der Rockmusik mit gebührendem Respekt und Hingabe wieder zu sichern.“ (Ankündigung von MIG music)

Das wird ja immer besser, was uns MIG music hier rund um den begnadeten, exzentrischen (ehemaligen) CREAM- und BLIND FAITH-Schlagzeuger GINGER BAKER in Form einer DVD und CD präsentiert. Gerade erst erschienen die legendären und zugleich verschollen geglaubten Auftritte von GINGER BAKER'S AIR FORCE im BeatClub, schon schiebt das rührige deutsche MIG-Label mit „Live At Marquee Club 1981“ eine weitere AIR FORCE-Folgeformation, genannt NUTTERS, nach. Eine absolute Rarität der Extraklasse für alle CREAM- und HAWKWIND-Enthusiasten, auch wenn man in puncto Bild- und Tonqualität ein paar Abstriche machen muss.

Kurzer Rückblick also: Nachdem die grandiose AIR FORCE endgültig gelandet war, sprang Mister Trommelgott Baker, der vorerst Solo-Pfade beschritten und daraufhin mit den Gebrüdern Gurvitz von 1974 bis 1976 die britische Hardrock-Band BAKER GURVITZ ARMY gegründet und schnell wieder beendet hatte, 1980 in die nächste kosmische – wiederum nur kurz anhaltende – Dimension namens HAWKWIND. Ja, genau, die aus heutiger Sicht echte Psyche-Space-Rock-Legende, welche, seitdem sie 1972 die „Silver Machine“ gestartet hatten, echter Kult waren. Die HAWKWIND-Liebe dauerte jedoch nicht lange und bereits nach dem „Levitation“-Album checkte Baker mit seinen Trommelstöcken – trotz einer geplanten hawkwindigen Italien-Tournee – wieder aus. Doch genau dieser Kurztripp sollte Folgen haben, womit wir bei GINGER BAKER'S NUTTERS wären, die Baker kurz nach seinem HAWKWIND-Kapitel für eine Konzerttournee (statt der HAWKWIND-Konzerte) als die NUTTERS zusammengestellt hatte. Zu ihnen gehörten der HAWKWIND-Keyboarder Keith Hale, Bakers alter Freund, der Bassist Rikki Legair (TOYAH, BLOOD DONOR) sowie die beiden ehemaligen BURLESQUE-Mitstreiter, Gitarrist Billy Jenkins und Saxophonist Ian Trimmer, die außerdem als ein seltsames Comedy-Jazz-Fusion-Duo unterwegs waren, was man durchaus auch bei diesem „Live At Marquee Club 1981“-Doppeldecker hört wie sieht und sich trotz der typischen 80er-Jahre-Bildqualität – die allerdings wirklich gut gefilmt ist – auf keinen Fall entgehen lassen sollte.

Begnadete Sänger sind allerdings alle Bandmitglieder nicht (obwohl für jeden steht ein Gesangsmikro zur Verfügung, wovon besonders der Gitarrist und der Saxophonist intensiven Gebrauch machen, während nach und nach der Keyboarder ebenfalls seine Stimmbänder in Stellung bringt). Auch fragt man sich bei dem ringelbemützten Gitarristen die ganze Zeit, was der sich wohl unmittelbar vor dem Konzert eingeworfen hat – und dann haut er trotzdem immer wieder unglaubliche, extrem fingerflinke Saiten-Eskapaden raus, die seiner E-Gitarre die grellsten Töne entlocken, sodass man mitunter den Eindruck gewinnen darf, dass Billy Jenkins sich einen Joint der Marke Hendrix gemeinsam mit einem weiteren Joint der Marke Gallagher reingezogen hat.

Musikalisch hinterlässt Bakers Kurz-zuvor-Mitwirkung bei HAWKWIND offenkundig seine Spuren. Und da sich die Kamera bei seinem wirklich außergewöhnlichen Drumming intensiv auch auf ihn konzentriert, fällt - vielen sicher zum ersten Mal - auf, dass Baker ständig am Lächeln ist und viel Spaß an der ganzen Sache auf der Bühne hat (und bei der einen oder anderen Vokal-Eskapade einen verblüffenden Blick aufsetzt), worüber auch die drei noch lebenden Bandmitglieder in dem knapp 10-minütigen, der DVD beigefügten (aber leider nicht deutschsprachig untertitelten) Interview berichten, das mit ein paar Konzertbeispielen zu ihren Aussagen angereichert ist.

Zum Ende der DVD/CD hin reiten die NUTTERS sogar offensichtlich ein paar Purple-Gene, wenn sich Gitarre und Keyboard duellieren, sich dann aber im besten COLOSSEUM-Stil das Saxophon einmischt und die Führung übernimmt, bis Gesang und Gitarre den Siebenminuter zu einem beeindruckenden Ende führen, was natürlich euphorische Publikumsreaktionen zur Folge hat.

Bei „Toad“ zeigt Baker zudem im Konzert-Finale, welch unglaublichen Solo-Drive er am Schlagzeug entwickeln kann, um dann als Zugabe die wohl ungewöhnlichste Präsentation des CREAM-Klassikers „Sunshine Of Your Love“ hinzulegen, die das Publikum total ausflippen lässt, sodass als...

...FAZIT eine echte Erkenntnis bleibt: Gerne darf zu „Live At Marquee Club 1981“, dem von MIG music veröffentlichten Konzertmitschnitt von GINGER BAKER'S NUTTERS auf DVD+CD (die originalen U-Matic-Bänder galten lange Zeit als verschollen, tauchten dann überraschend im Herbst 2023 wieder auf und wurden mit viel Aufwand und Liebe restauriert) samt achtseitigem Booklet im dreiflügeligen Digipak, festgestellt werden, dass von allen CREAM- bis hin zu den AIR FORCE- wie HAWKWIND-Liebhabern diese Aufnahmen um Schlagzeuglegende GINGER BAKER eine kleine Sensation sind, welche man sich auf keinen Fall – trotz qualitativer Abstriche bei Bild und Ton – entgehen lassen sollte.