Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Kuhn Fu: Jazz Is Expensive / Live in Saalfelden (Review)

Artist:

Kuhn Fu

Kuhn Fu: Jazz Is Expensive / Live in Saalfelden
Album:

Jazz Is Expensive / Live in Saalfelden

Medium: CD/Download/Do-LP
Stil:

Zappaesker, ungebremster, märchenhafter Jazz-Rock

Label: Berthold Rec
Spieldauer: 90:12
Erschienen: 14.10.2022
Website: [Link]

Was sind das nur für verrückte Zeiten!?
Gerade wird uns an allen Ecken und Enden erklärt, dass Energie extrem teuer ist und wir deshalb unbedingt sparen müssen, indem uns ganz eigenartige Experten unaufgefordert mit Tipps zuscheißen, wie dass wir wieder Waschlappen und dicke Pullover und alte Öfen nutzen sollen, um zu sparen, da kommen doch tatsächlich auch noch die jazz-rockenden KUHN FU um die nächste Ecke, um auf ihrer neuen Doppel-LP ohne jegliches Schamgefühl festzustellen: „Jazz Is Expensive“.
Aha, nun ist also auch der Jazz noch besonders teuer – und wie sollen wir damit umgehen? Ohrenschützer tragen? Das Album bei gedrosselter Lautstärke hören? Oder den Plattenspieler von 33 Umdrehungen pro Minute auf 45 erhöhen, damit die Scheibe schneller zu Ende geht?

Na, zum Glück wissen wir ja, dass KUHN FU trotz ihrer germanischen Herkunft einen ausgeprägten Sinn für schwarz gefärbten britischen Humor haben, selbst wenn die Brexit-geplagten Briten derzeit auch nicht sonderlich viel zu lachen haben …

Aber auch ihre offensichtliche Leidenschaft für die Jazz-Werke eines FRANK ZAPPA sowie dessen rundum abgefahrenen Ideen oder aber auch GONG zu Daevid-Allen-Zeiten, als die noch mit der 'Fliegenden Teekanne' unterwegs waren, sind unüberhörbar. Der aktuelle Flugkurs von KUHN FU aber geht in eine märchenhafte Richtung, verborgen hinter der Website illsebill.com.

Und damit sind wir auch schon bei „Vom Fischer und seiner Frau“…
Wer eigentlich kennt dieses ursprünglich plattdeutsche Märchen von Philipp Otto Runge, das dann in Grimms Sammlungen aufgenommen wurde, noch in Zeiten, in denen das Vorlesen von Märchen immer mehr nachlässt, während unsere geliebten Kleinen stattdessen in einem stillen Eckchen, ganz allein auf sich gestellt, mit ihren zerbrechlichen Fingerchen wild über Tablet-Bildschirme wischen?

Schnappt man sich nun aber das aktuelle, bereits siebte Album von KUHN FU, dem Meister progressiven Jazz-Rocks und verrückter Extreme, dann sollte man bei der ersten (Studio-)LP, die den Titel „Jazz Is Expensive“ trägt, durchaus dieses Märchen von einem großmütigen und -zügigen Fischer, der einem einflussreichen Fisch seine Freiheit auf dessen Bitte hin schenkt und damit von ihm einen Wunsch erfüllt bekommt und dessen schrecklich gierigen Frau, der in ihrem unstillbaren Größenwahn ein Wunsch nicht ausreicht, kennen.
Bereits die Titel der beiden LP-Seiten verweisen offensichtlich auf dieses Märchen. Ja, sie scheinen sogar das durchgängige Konzept der Studio-LP zu sein.

Und mal wieder gilt auch für dieses „Jazz Is Expensive“-Album: Alles was schräg klingt, geht – und trotzdem geht’s noch schräger. Jedem aufgeschlossenen Hörer aber, der beispielsweise mit ZAPPAs „200 Motels“ oder dem an Erzählerei reichen „Uncle Meat“ was anfangen kann, der ist bei KUHN FU und ihrem aktuellen Doppel-Album rund um den Fischer und seine Frau genau richtig. So gesehen spielt hier kein Uncle Meat, sondern eher Uncle Fish die Hauptrolle und statt King Kong taucht mit Illsebill ein ähnliches Monster, allerdings in digitaler Frauengestalt als 'Illsebill.com' auf. Und die wird mit viel Gebläse – Klarinetten und Saxophone – umrahmt, während Christian Kühn, von seiner Gitarre begleitet, die (wohl absichtlich) stark mit deutschem Akzent versehene englischsprachige Geschichte erzählt und George Hadow ordentlich draufhaut, zumindest auf sein Schlagzeug, während Esat Ekincioglu mit tiefen akustischen und elektrischen Basstönen dafür sorgt, dass einem die Töne bis in die Magengrube grummeln und brummeln. Das hat schon was von Cabaret meets Jazz meets Avant-Prog meets MOTHERS meets Märchen…

Und dann tauchen wir am besten in der Küche ab, um einen Matjes zu futtern, der nach so viel „Mantje Mantje“ im jazzigen, psychedelischen, avantgardistischen und experimentellen Gewässer von KUHN FU ein wahnsinniger Fang ist. Denn KUHN FU sind mal wieder allem gerecht geworden, was wir seit den MOTHERS OF INVENTION und der Obermutter ZAPPA so sehr lieben.

Bei der zweiten LP, welche übrigens mit einem extrem abgefahrenen Jazz-Punk-Stück, das vom Publikum gehörig abgefeiert wird, endet, darf man sich dann ein wenig zurücklehnen und die Augen schließen. Dabei stelle man sich dann vor, man wäre in einem Club in Saalfelden und erlebte live diejenigen, die einem eine LP zuvor noch eine musikalische Reise durchs jazz-proggige Märchenland beschert haben. Und siehe da – auch live sind KUHN FU mit ihrer massiven Bläsersektion sowie Bass, Schlagzeug und Gitarre, aber fast ohne Stimme, echt märchenhaft. Es kommt hierbei natürlich immer auf den entsprechenden Blickwinkel an, der ausschließliche Radiohörer definitiv nicht mit einschließt.
Und ja, eigentlich sollte man laut KUHN FU diese Live-LP, die Bestandteil dieser Doppel-LP ist, als die Nummer 6 ansehen und den teuren Jazz um Grimms Märchen als Nummer 7.

Außerdem muss man, je nachdem welches Album man gerade hören möchte, das andere auf den Cover-Kopf drehen. Eine spaßige Idee, passend zur Musik. So schlägt man das eine wie das andere Album immer in die richtige Richtung auf.

Live spielt jedenfalls die Musik und nur wenig 'Gequassel' die erste Klarinette (Flöten sind leider in KUHN FUHs Musik nicht greifbar!). Alles Andere bleibt so in etwa beim Alten: Zappaeske Jazz-Musik, auch wenn hier noch ein Baritonsaxophon fehlt, das auf „Jazz Is Expensive“ dann von der einzigen Dame in der verrückten Jazz-Runde gespielt wird: Sofia Salvo.

Trotzdem wirkt auf beiden Alben das absichtlich akzentuierte, mitunter paranoid erscheinende Gelaber – so lustig es auch erscheinen soll – auf Dauer etwas nervend. In diesem Sinne gilt jedenfalls: „Weniger ist mehr!“
Ansonsten aber: Weiter so ihr KUHN Mothers Of FUH Invention!

FAZIT: Mit „Jazz Is Expensive / Live in Saalfelden“ gibt’s den nächsten Prog-Jazz-Does-Humor-Belong-In-Music-Streich nicht aus dem Hause ZAPPA, sondern dem eigentlich verschnarchten Old Germany. KUHN FU unternehmen auf ihrer ersten Doppel-LP, der ein paar einzelne LP's bereits vorausgingen, erneut den Versuch, Jazz-Rock mit zappaesker Experimentierfreude und schwarzgefärbtem Humor sowie einem Märchen der Gebrüder Grimm plus wilden – größtenteils aus Saxophonen bestehenden – Bläser-Sektionen zu vereinen. Manchmal wird dabei leider etwas zu viel gequasselt, sodass der Mund dann doch besser an einem Mundstück statt an einem Mikrofon kleben sollte. Unbedingt für alle empfehlenswert, die ihr Leben nicht nur vom Alltag, sondern auch ein paar Extremen (Nicht mit Exkrementen verwechseln!) lenken lassen. Wer noch dazu mit offenen Ohren durch diesen Alltag läuft und an die heilende (und sogar erzieherische) Wirkung von Märchen glaubt, der darf sich diese gern mit den extremen KUHN FU-Klängen zwischen verrückt und noch verrückter durchblasen lassen. Drei Saxophone und eine Klarinette sollten für dieses völlig unerotische (Wer bei KUHN FU an Sex denkt, muss ernsthaft einen an der Waffel haben!), dafür aber kakophonisch-musikalisches Blasen durchaus komplett ausreichend sein.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2431x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 10 von 15 Punkten [?]
10 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • LP 1 = Jazz Is Expensive = (45:17):
  • Seite A (22:08):
  • Flounder (3:18)
  • Once Upon A Time… (5:28)
  • Fight (4:30)
  • Fischer Mann (3:35)
  • Illsebil.com & Marcel de Champion (3:23)
  • Bruno The Architect (1:54)
  • Seite B (23:09):
  • Mantje Mantje (1:58)
  • Illsebill Blues (2:34)
  • Interlude (1:34)
  • Timpe Te Stuffle (5:59)
  • Servus Servus Schuhplattler (2:24)
  • No (3:52)
  • How Could That Be? (1:08)
  • The End (3:40)
  • LP 2 = Live in Saalfelden = (44:55):
  • Seite C (23:40):
  • No 1 (8:38)
  • Nosferatu (6:54)
  • Tragic Death Of Harry Sanchez (Monolog) (2:57)
  • Harry Sanchez (5:11)
  • Seite D (21:15):
  • Maharani (7:25)
  • Dmitri (6:22)
  • Return Of Hans Schmitz (5:31)
  • Slacker's Fanfare (1:57)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Welches Tier bellt?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!