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Simple Minds: Street Fighting Years (Review)

Artist:

Simple Minds

Simple Minds: Street Fighting Years
Album:

Street Fighting Years

Medium: CD/Do-LP/Do-CD/4 CDs/Remaster
Stil:

Folk, Pop

Label: Universal Music Catalogue
Spieldauer: 60:58
Erschienen: 06.03.2020
Website: [Link]

„Ich bin immer sehr stolz, wenn die Leute fragen: Welche SIMPLE MINDS meinst du? Die Avantgarde, die Art-Rocker, die Popband, das Ambient-Projekt, die Instrumentalgruppe, die politischen Texter, die Folker, die Stadionrocker? All diese Stile gleichzeitig zu beherrschen war immer die Quintessenz der SIMPLE MINDS und etwas ganz Besonderes.“ (Jim Kerr)

Ein Album, in dem noch heute beim Hören viele Erinnerungen stecken sowie wachgerufen werden und das zugleich offensichtliches Highlight in der SIMPLE MINDS-Diskografie ist.

Street Fighting Years“ erschien tatsächlich in dem Jahr, in welchem auf vielen Straßen gekämpft wurde – im Osten Deutschlands sogar friedlich, um am Ende und im gleichen Jahr eine unerträgliche Mauer zum Einsturz zu bringen und ein komplettes System – die DDR – abzuschaffen.

Street Fighting Years“ wurde 1989 so auch zu einer Art Soundtrack für eins der wichtigsten Jahre in der Weltgeschichte – besonders aber deutschen Geschichte – in der einer der größten Siege für die Freiheit errungen wurde, wofür zuvor der in der SIMPLE MINDS-Cover-Version von einem PETER GABRIEL-Song besungene „Biko“ als Held der Anti-Apartheid-Bewegung unter qualvoller Folter sein Leben lassen musste.
Die Straßenkämpfe jedenfalls finden auch bis heute keinerlei Ende – und Künstler, die sich einmischen, sind gerade darum noch immer so wichtig.

30 Jahre später erlebt „Street Fighting Years“ nun eine exklusive Neuauflage in den unterschiedlichsten Formaten von einer 4-CD-Deluxe-Box bis hin zu einer grandios remasterten Doppel-LP, die durch ihre hohen Sound-Ansprüche statt auf der ursprünglich normalen LP nun als Doppel-Album mit den gleichen Titeln, aber in einer schlicht gigantischen Vinyl-Klang-Qualität, erscheint.

Zurecht verlieh das britische Q Magazine bereits 1989 „Street Fighting Years“ die volle Punktzahl, die man, wenn es möglich wäre, heute bei diesem Klang noch anheben müsste, und resümierte: „SIMPLE MINDS haben damit nicht nur einen Album-Meilenstein geschaffen. Sie sind damit zu einer Autorität geworden.“
Allerdings gelang es trotz noch so einfacher musikalischer Gedankenspiele den SIMPLE MINDS dann nicht mehr wirklich, diese viel gepriesene „Autorität“ dauerhaft aufrechtzuerhalten oder wenigstens auf diesem Niveau fortzusetzen. Mit ihrem 1989er-Album hatten sie die Spitze ihrer musikalischen Karriereleiter erklommen.

Street Fighting Years“ ist ein Ausnahmealbum zugleich in der SIMPLE MINDS- wie in der Indie-Pop-Geschichte, das die Schotten nicht nur zum vierten Mal auf Platz 1 der UK-Charts, sondern auch erstmals auf Platz 1 der deutschen Charts katapultierte, während einer der bewegendsten Songs der Pop-Geschichte – „Belfast Child“ – sogar in Amerika ihr erster Nummer-1-Hit wurde.

Eine auch aus heutiger Sicht noch unvorstellbare Tatsache, denn einerseits brachte es der als Ballade beginnende und sich zum Folk-Rock-Song entwickelnde Titel auf eine Laufzeit von knapp sieben Minuten, die man nicht an irgendeiner Stelle einkürzen konnte, da die Wirkung des Songs nur von seiner Gesamtheit ausging. Noch dazu griff Sänger und Texter Jim Kerr inhaltlich das extrem heiße Eisen des Bombenanschlags in Enniskillen auf, indem er sich in die Situation der nordirischen Bevölkerung hineinzuversetzen versuchte und dabei aus Sicht eines unmittelbar Betroffenen, der bei dem grausigen Bombenattentat einen Angehörigen verloren hatte, die Geschichte des Kindes aus Belfast sang.

Zugleich erwies es sich als eine verdammt kluge Entscheidung, dass sich die SIMPLE MINDS bereits 1988, als sie in Schottland mit den Aufnahmen zu ihrem 1989 erscheinenden Album begannen, für eine radikale musikalische Richtungsänderung entschieden: weg vom massentauglichen Indie-Rock voller Soul- und Gospel-Elementen ohne großartige Songwriter-Ambitionen, hin zu sehr zeitkritischen Texten und der einen oder anderen Pop-Melodie, welche es sogar mit den Ohrwürmern der BEATLES aufnehmen konnten, sowie traditionellen Folk-Anleihen und ein atmosphärisch schlüssiges Gesamtkonzept, das sich auf das politisch und historisch konfliktreiche Jahrzehnt der 80er-Jahre bezog. Bestes Beispiel war in diesem Sinne bereits der kämpferische Song „This Is Your Land“, sogar mit LOU REED als Gastsänger und daher wohl auch zugleich Single-Auskopplung, der in gewisser Weise Erinnerungen an die „Revolver“-Zeiten der BEATLES weckt.

Spätestens nun erklommen die SIMPLE MINDS die gleiche Stufe neben solchen Musiker oder Bands wie PETER GABRIEL, die PET SHOP BOYS oder TEARS FOR FEARS, welche im gleichen Jahr ihr beachtliches „The Seeds Of Love“-Album veröffentlichten. Auch nahmen die Mannen um JIM KERR unweigerlich einen festen Platz oder sogar den beachtlichen Mittelpunkt innerhalb der (Indie-)Pop-Musik ein, die nicht nur auf Rhythmen und Balladen, sondern auch hochexplosive Texte und folk-weltmusikalisch Traditionelles orientierten.

Kerr, der damals 30-Jährige, setzte sich, was das Album neben der Musik auch textlich so anspruchsvoll und außergewöhnlich erscheinen lässt, in seinen pointierten und kritischen Texten mit den politischen Brandherden des damals gerade zuendegehenden Jahrzehnts auseinander und deckte deren Schrecken unmittelbar auf: „Ich war damals 30 Jahre alt, und ich wollte über Belfast schreiben. Über Apartheid und auch über die Politik von Margaret Thatcher. Ich bin froh, dass ich das wollte", bemerkt er und thematisiert neben dem Nordirlandkonflikt, der Berliner Mauer, die Kopfsteuer sowie den vor der Küste Schottlands stationierten Atom-U-Booten und dem sehr persönlich gehaltenen Titelsong, in dem es um eine Messerstecherei geht, bei dem ein guter Freund seiner Familie ermordet worden war, ganz speziell das Thema Apartheid mit einerseits dem leidenschaftlichen Bekenntnis zu Steven Biko und andererseits zu Nelson Mandela im „Mandela Day“.

Typisch schottisch werden wir am Ende der „Street Fighting Years“ mit Dudelsäcken und zugleich einer anfangs bedrohlich wirkenden Keyboardmelodie, die sich ganz flott zu einem hoffnungsvollen Endrhythmus entwickelt rein instrumental mit „When Spirits Rise“ aus dem einzigartigen Meilenstein-Album der SIMPLE MINDS verabschiedet.

FAZIT: Mit „Street Fighting Years“ schufen die SIMPLE MINDS im Jahr 1989 einen musikalischen Meilenstein, der in jede anspruchsvolle Plattensammlung gehört, nicht nur weil diese Kombination aus Ohrwurmmelodien, Folk-Pop-Weltmusikalität und scharfzüngigen, kritischen Texten zu den politisch brodelnden Missständen höchste Ansprüche erfüllt, sondern weil der schottischen Band nie wieder ein Album dieser Dimension gelang – und auch kaum eine andere Band sich an den „Street Fighting Years“ messen lassen kann. Nun also gibt’s dieses von Trevor Horn produzierte Insel-Album dreißig Jahre später als remasterte Ausgabe, von der ganz besonders das Doppel-Vinyl nunmehr auch sound-technisch keinerlei Wünsche offen lässt.

PS I: Vielleicht trägt auch eine kleine Anekdote aus den DDR-Zeiten des Kritikers dazu bei, die außergewöhnliche Wirkung dieses SIMPLE MINDS-Meisterwerks zu verstärken. Im Jahr 1988 hatte er gemeinsam mit seiner Frau in Budapest ein junges, sehr nettes Paar aus Westdeutschland kennengelernt. Und obwohl es ungeheuer schwer war, nicht nur den Kontakt aufrechtzuerhalten, da ein freundschaftliches Verhältnis von Ost- und Westdeutschen in der DDR unerwünscht war und nach Möglichkeit unterbunden wurde, gelang es ihm nach gut einem Jahr, ein Treffen in seinem Heimatort Riesa zu vereinbaren. Da das Pärchen wusste, wie musikverrückt ihr baldiger Ost-Gastgeber war, fragten sie ihn, bei einem zuvor aufwändig angemeldeten Telefonat (Ja, wer aus dem Westen in den Osten anrufen wollte, dem wurden so einige Steine in den Weg gelegt und schließlich musste ja auch immer fein von der „Schwarzen Hand mit den großen Ohren“ = kurz Stasi = mitgehört werden!), welches Album er sich wünsche, das sie ihm zum Treffen mitbringen könnten. Und obwohl der Gefragte eigentlich den Progressive Rock der Marke PINK FLOYD, ELP, KING CRIMSON und YES liebte, entschied er sich für „Street Fighting Years“, da er kurz zuvor den Titel „Belfast Child“ und eine Vorstellung des Albums auf Jugendradio DT64 gehört hatte, wohl weil sich die SIMPLE MINDS kritisch mit den politischen Verhältnissen im sogenannten nichtsozialistischen Ausland auseinandersetzten. Die erste Faszination durch die Wirkung dieses Albums hatte die ungeheuerliche Entscheidung zur Folge, sich gegen seine Prog-Helden für die SIMPLE MINDS zu entscheiden. Im gleichen Jahr fiel dann die Mauer und der musikalische Straßenkämpfer aus dem Osten konnte all das an progressiven Leidenschaften nachholen und ausleben, was ihm zuvor auf der falschen Mauerseite als unmöglich erschien. Seine Entscheidung für „Street Fighting Years“ zu Mauerzeiten hat er nie bereut.

PS II: Und wer sich nunmehr in der Entscheidungsphase befindet, welche dieser unterschiedlichen „Street Fighting Years“-Ausgaben er sich anschaffen soll, für denjenigen hier noch die konkrete Auflistung der Inhalte aller Ausgaben vom Deluxe-Box-Set, das leider keine DVD mit beispielsweise den Videos oder einem 5.1-Dolby-Mix des Albums beinhaltet (Hier wäre deutlich mehr möglich gewesen!), bis zur einfachen CD:

4-CD-BOXSET

DISC 1: Street Fighting Years
Street Fighting Years
Soul Crying Out
Wall of Love
This Is Your Land
Take A Step Back
Kick It In
Let It All Come Down
Mandela Day
Belfast Child
Biko
When Spirits Rise

DISC 2: Edits, B-Sides & Remixes
Belfast Child - Edit
Mandela Day- Edit
This Is Your Land - Edit
Saturday Girl - B-Side
Year of The Dragon - B-Side
This Is Your Land - DJ Version
Kick It In - Edit
Waterfront - '89 Remix
Big Sleep - Live
Kick It In - Unauthorised Mix
Sign O' The Times - Edit
Let It All Come Down - Edit
Sign O' The Times - B-Side
Jerusalem B-Side
Sign O' The Times - C. J. Mackintosh Remix

DISC 3: Verona (live)
Theme for Great Cities '90
When Spirits Rise
Street Fighting Years
Mandela Day
This Is Your Land
Soul Crying Out
Waterfront
Ghost Dancing
Book of Brilliant Things
Don't You (Forget About Me)

DISC 4: Verona (live)
Gaelic Melody
Kick It In
Let It All Come Down
Belfast Child
Sun City
Biko
Sanctify Yourself
East at Easter
Alive and Kicking

2CD DELUXE VERSION

DISC 1: Street Fighting Years
Street Fighting Years
Soul Crying Out
Wall of Love
This Is Your Land
Take A Step Back
Kick It In
Let It All Come Down
Mandela Day
Belfast Child
Biko
When Spirits Rise

DISC 2: Edits, B-Sides & Remixes
Belfast Child - Edit
Mandela Day- Edit
This Is Your Land - Edit
Saturday Girl - B-Side
Year of The Dragon - B-Side
This Is Your Land - DJ Version
Kick It In - Edit
Waterfront - '89 Remix
Big Sleep - Live
Kick It In - Unauthorised Mix
Sign O' The Times - Edit
Let It All Come Down - Edit
Sign O' The Times - B-Side
Jerusalem B-Side
Sign O' The Times - C. J. Mackintosh Remix

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 4413x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Tracklist:
  • Seite A (17:53):
  • Street Fighting Years (6:26)
  • Soul Crying Out (6:07)
  • Wall Of Love (5:20)
  • Seite B (16:55):
  • This Is Your Land (6:22)
  • Take A Step Back (4:22)
  • Kick It In (6:11)
  • Seite C (17:33):
  • Let It All Come Down (4:56)
  • Mandela Day (5:45)
  • Belfast Child (6:42)
  • Seite D (9:37):
  • Biko (7:34)
  • When Spirits Rise (2:03)

Besetzung:

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Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
JJ
gepostet am: 04.06.2022

Wunderbarer Bericht über ein Album aus einer anderen Zeit
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