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Our Survival Depends On Us: Melting The Ice In The Hearts Of Men (Review)

Artist:

Our Survival Depends On Us

Our Survival Depends On Us: Melting The Ice In The Hearts Of Men
Album:

Melting The Ice In The Hearts Of Men

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Heavy Singer / Songwriter

Label: Ván Records
Spieldauer: 46:34
Erschienen: 08.02.2019
Website: [Link]

Obacht, im Folgenden geht es um "mehr als Musik" (Eilige dürfen also gerne beim Fazit weiterlesen). Natürlich ließe sich zu "Melting The Ice In The Hearts Of Men" eine herkömmliche Album-Rezension verfassen, doch handelt es sich dabei weder um ein herkömmliches Album, noch um eine herkömmliche Band im weiteren Sinne - das dürfte jedem klar werden, der sich die Zeit nimmt, aktuelle Interviews mit den in diesem Künstler-Kollektiv wirkenden und mit dem Weltgeschehen ringenden Menschen zu lesen. Meiner Wahrnehmung nach heben sich jene Gespräche positiv herausfordernd vom Marktplatz-üblichen Gequatsche ab und liefern Inspirierenderes als hunderte von Artikeln in Zeitungen und Zeitschriften, die stets nur in ihre eigene hinlänglich bekannte Kerbe hauen. OUR SURVIVAL DEPENDS ON US (OSDOU) schlagen - eben nicht nur musikalisch - dazwischen, sondern einige ihrer Aussagen stieben Funken und Feuer in den stumpfsinnigen Konsumismus, der als Ablenkung von jener Welt dient, in der sich mittlerweile ein Bürgerkrieg abzeichnet.

Zweifelsohne: Niemand wird gezwungen, dieser im Deaf Forever geäußerten Wahrnehmung von Thom Kinberger, dem Gitarristen und Sänger von OSDOU, beizupflichten - bemerkenswert ist es dennoch allemal, mit welchen Aussagen sich der Gewerkschafter nicht nur in der Metal-Presse zu Wort meldet, und Blickwinkel eröffnet, für welche die Bezeichnung "alternativ" tatsächlich angemessen ist. Das gilt auch für sein Gespräch mit den Kollegen von Metal.de, in dem er ihm besondere Details des "House of the Holy" Festes (vormals "Funkenflug") in den Salzburger Alpen skizziert: "Dort oben hat sich eine wunderbare Gemeinschaft entwickelt. Autonome Postrocker und Rightwing-Blackmetaller am selben Ort. Das hat Barth [Bass und Gesang] und Mucho [Gitarre und Gesang] von allen Seiten Kritik eingebracht, aber sie haben drauf geschissen. Denn darum geht es nicht! Hier wird das Verbindende vor das Trennende gestellt, die Liebe zur eigenwilligen Kunst und zur Natur aufs Podium gestellt. Wer glaubt, dass der Kampf zwischen Rechts und Links geführt wird, und nicht zwischen Oben und Unten, hat nichts verstanden." Das mag manchem "zu weit draußen", zu abgehoben oder schlichtweg zu bedeutungsschwer erscheinen, zumal auf der Alm in Abtenau eben auch zu "Krach von der Basis" munter gebechert wird. Ja, das würde wohl niemand leugnen, der einem solchen Treffen beiwohnen durfte. Dass die Gefahr von Entzauberung in Folge z.B. von Selbstvernetzung und -inszenierung in den "(a)sozialen Medien" nicht fern ist, liegt in der Natur unserer gegenwärtigen Gesellschaft. Und doch müsste ein Besucher jener Alm mit Taubheit, Blindheit und verödetem Geist geschlagen sein, um nicht wenigstens zu ahnen, dass es um mehr als Krach geht - unabhängig davon, dass z.B. Hexvessel selbigen nicht "produzieren". Deren Gründer Mat McNerney wirkte als Gastsänger auf dem Vorgänger-Album "Scouts On The Borderline Between The Physical And Spiritual World" mit, und es ist einer von zahlreichen Kreisen, die sich auftun und schließen, je offenherziger und neugieriger die Begegnung mit OSDOU und ihrem künstlerischen Umfeld gerät. Dessen reiches Potential speist sich aus Begegnungen, und zwar aus Begegnungen, wie sie Menschen vom Schlage eines Martin Buber ebenso wie eines Roland Girtler ähnlich verstehen: Von Angesicht zu Angesicht, mit Respekt vor der Natur des Anderen, mit Freude an vielem, was da zwischen den Menschen knirschen und lodern mag, oder, wie Kinberger sagt: "Es ging darum einen Ort der Begegnung zu schaffen. Grenzen nieder zu reißen."
Damit handeln OSDOU in bester Tradition von heidnisch-teuflischen Wortschmieden wie Martin Walkyier (Sabbat, Skyclad) und sozialkritischen Querdenkern wie Sir Hannes Schmidt (The Idiots, Phantoms of Future u.a.), also Mehr-als-Musikern, die ein ums andere Mal über den Tellerrand ihrer Herkunftsszene gehüpft sind, und Menschen auch dann das Gespräch nicht verweigert haben, wenn sie gänzlich anderer Meinung waren. Stattdessen stell(t)en beide vor allem jungen Menschen z.B. die Frage, ob Metal als Underground-Musik mit Herz und Seele in einem faschistischen Staat überhaupt eine Überlebenschance hätte. In der Musik von OSDOU erklingt nicht nur darauf eine glasklare Antwort. Losgelöst von Pagan-Metal-typischem Runen-Ramsch und Konsum-Kitsch, zieht die Band längst Kraft aus der Natur jenseits ihrer heimischen Bergwelten und z.B. in der Begegnung mit künstlerischen Heiden in Island, wie Mucho Kolb im Interview mit Lords of Metal erläutert. Tatsächlich leuchtet in den langen Liedern von OSDOU mehr denn je ein Moment des dortigen Asatru auf: Ein Bewusstsein für die Entfremdung des Menschen von sich selbst, von seiner eigenen wie der vermeintlich äußeren Natur.

Als Hymne an den Wandel und an persönliches Wachstum eröffnet "Galahad" das Album mit einer mystischen Stimmung, die von ahnungsvollem Männergesang verstärkt wird, bevor ein Gitarrensolo wenig Zweifel am Metal-Fundament aufkommen lässt, auf welchem sich OSDOU breitbeinig positionieren, ohne durchweg auf Härte zu setzen - im Gegenteil: Wenn nach knapp viereinhalb Minuten Mucho Kolb von einem Neuanfang singt, übt sich die übrige Band zunächst in Zurückhaltung, um den Song langsam zur vollen Entfaltung zu führen. Der unvermittelt einsetzende Chorus mit subtilem Hammond-Unterbau ist einer von vielen Gänsehaut-Momenten, und für den nicht weniger als grandiosen Mix gehören Viktor Santura und Michael Zech (zumindest sinnbildlich) die Füße geküsst. Ihr Anteil daran, wie vielschichtig und dynamisch sich "Melting The Ice In The Hearts Of Men" vom Gros der Genre-üblichen Veröffentlichungen auch im Klangbild abhebt, kann wohl kaum hoch genug geschätzt werden. Alan Averills knüpft als Gastsänger mit beschwörender Stimme nahtlos an die einnehmende Darbietung von Mucho Kolb an.

Die Feinfühligkeit der Produktion wird auch gleich bei den ersten Klängen von "Gold And Silver" deutlich. Die Neunziger müssen besser gewesen sein als ihr aktueller Ruf, wenn das Echo ein so gewaltiges ist, wie es sich bald in stampfendem Doom mit einem davor an der Solo-Gitarre brillierenden Viktor Santura Bahn bricht, bevor dem Hörer eine weitere Atempause gegönnt wird. Erneut üben sich OSDOU in Zurückhaltung, und deuten nach dreieinhalb Minuten zunächst an, wohin die Reise geht, was wiederum dem ahnungsvollen Gesang zusätzliches Gewicht verleiht, während vor allem die Keyboard-Klänge dem Song etwas unheimlich Subtiles verleihen. In punkto Songwriting vielleicht die bisher stärkste Nummer, erweist sich die psychedelische Komposition im weiteren Verlauf als veritabler SloMo-Headbanger, der einem finsteren Ende unausweichlich entgegenstrebt.

Mit dem "Song Of The Lower Classes" erweisen die Österreicher einem frühen Vordenker und -kämpfer der Arbeiterbewegung die Ehre, namentlich Ernest Charles Jones, dessen Worte nach rund anderthalb Jahrhunderten nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben, und deren Adaption ebenfalls kämpferisch gerät. Warum sollten wir nicht an dem, was wir erarbeiten, größeren Anteil haben? Im vielstimmigen Chor, der dieses Lied seit seiner Niederschrift ein ums andere Mal aufs Neue singt, dürften es wenige mit solchem Nachdruck schmettern wie die Männer aus den Bergen. Man muss nicht Per Molander gelesen haben, um einzustimmen:

"We’re not too low the bread to grow, the rich are high for we make them so, and what we get and what we give, we know and still we know our share, we’re not too low the cloth to weave, and NOT too low the cloth to wear." (Hervorherbung durch den Verf.)

Thom Kinberger, der sämtliche Texte für das Booklet handschriftlich notiert hat, bezeichnet im Gespräch mit dem Magazin Ruhrbarone die Plackerei im Niedriglohnsektor als "moderne Sklaverei" und hält mit seiner Wahrnehmung von "Wutbürgern" nicht hinter dem Berg: "Ich wundere mich nicht, dass die Leute wütend werden, ich wundere mich nur, auf wen sie wütend werden. Ich würde mich freuen, wenn noch viel mehr Menschen auf die Straße gehen und der Gewerkschaft beitreten oder sich politisch engagieren würden. Ich würde mich freuen, wenn die wütenden Menschen den wirtschaftsliberalen Parteien den Stinkefinger bei den Wahlen zeigen und eine europäische Solidargemeinschaft erkämpfen würden!" Nicht nur hier fügt sich für den Rezensenten eins zum Anderen, wenn ich mich daran erinnere, dass ich "Scouts..." vor einigen Jahren spontan mit Dead Can Dance und Rumble Militia in Verbindung brachte - und mich selbst zunächst über diese Assoziationen wunderte. Doch klare Kante auf der Straße (im Betrieb, im "System") und ein Bewusstsein für Zusammenhänge, die weit über uns Menschen hinausweisen, schließen sich bei OSDOU nicht aus, und diese Kombination ist so selten wie erfrischend - und meines Erachtens nach heute mehr denn je unerlässlich für substantiellen Wandel. Womit wir wieder beim großen Thema dieses wunderlichen Albums wären...

Jenes schließt überraschend versöhnlich mit dem zunächst ambienten, sich dann post-rockig steigernden, von vergleichsweise sanften Tribal Percussions unterlegtem "Sky Burial". (Fast) alles wyrd gut?

FAZIT: Auf "Melting The Ice In The Hearts Of Men" pulsiert die vielschichtige Musik gerade in den ersten drei Liedern mit großem Pathos, und verliert dennoch mit ihrem tief und weit reichenden Wurzelwerk nie die untergründige Bodenhaftung. Die Band hätte wahrscheinlich keine besser geeigneten Klangschmiede für eine seelenvolle Wiedergabe ihrer Aufnahmen finden können als die oben Genannten. Nicht nur darum: Schubladen beiseite - das ist starke Singer- & Songwriter-Medizin für Musikliebhaber und Menschen, die angesichts spätmodernen Siechtums und der Selbstversklavung im spirituell verödetem Westen weiter denken, fühlen und leben wollen. Musikalisch leichter bekömmlich, als es für manch Verzagte den Anschein haben mag, geistig so fordernd wie seelisch bereichernd. Schön, dass es zwischen Plastik-Wikinger-Schildern verhökernden Chart-Stürmern und vor Größenwahnsinn besoffenen Politiker-Darstellern noch so erdverwachsene Künstler gibt, die eben auch menschlich mehr zu bieten haben.

Thor Joakimsson (Info) (Review 4847x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 14 von 15 Punkten [?]
14 Punkte
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Tracklist:
  • Galahad
  • Gold And Silver
  • Song Of The Lower Classes
  • Sky Burial

Besetzung:

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Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Andreas [musikreviews]
gepostet am: 27.05.2019

Besser kann man es nicht ausdrücken, Thor!
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