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Dream Theater: Octavarium (Review)

Artist:

Dream Theater

Dream Theater: Octavarium
Album:

Octavarium

Medium: CD
Stil:

Progressive Metal

Label: Atlantic Records
Spieldauer: 75:45
Erschienen: 2005
Website: [Link]

Ist ja immer wieder spannend, was die vier Ausnahmeinstrumentalisten und Sänger LaBrie wieder auf die Beine gestellt haben. Wurden mit dem eher härterem "Train Of Thought" einige Fans vergrault und ziemlich sicher nicht viele neue dazugewonnen, besinnt man sich auf "Octavarium" wieder auf alte Tugenden. Ist das nun musikalischer Stillstand? Das genaue Gegenteil von "Progessivität"? Ist ja eigentlich egal. Die Musik muß gut sein - und das ist bei Octavarium der Fall.

"The Root Of All Evil" balanciert angenehm zwischen gesunder Härte und epischer Melodie. Zwischendurch gibt´s noch eine exzessive Soloeinlage, wobei Rudess Keyboards dabei leider etwas "das hab ich doch schonmal bei DT gehört" klingen. LaBries Gesang fällt nicht dumm auf, was ja nicht immer selbstverständlich ist.

"The Answer Lies Within" beginnt mit Vogelgezwitscher und Kirchenglocken. Jetzt wird´s heimelig. Track Numero zwei eine Ballade? Warum nicht, vor allem, wenn diese hier viel, viel besser klingt als das etwas öde "Vacant" vom Gedankenzug. LaBrie bewegt sich vornehmlich in niederen Gesangsregionen, was dem umtriebigen Sänger schon immer am besten zu Gesicht stand. Die diesmal echten Streicher bringen auch gleich viel mehr Gefühl und Volumen als das Rudess Synthie-Orchester auf "Six Degrees Of Inner Turbulence".

Mit "These Walls" ist weiterhin alles typisch DREAM THEATER. Gitarre und Keyboard harmonieren wunderbar, ruhige und beschauliche Parts steigern sich in pompöse Refrains. Spätestens ab diesem Track ist es amtlich: DREAM THEATER haben die Melodie wiedergefunden!

Kurze "Scenes From A Memory" Reminiszenz: Ein Metronom leitet "Walk Beside You" ein. Der Song wird die Lager spalten. DREAM THEATER machen Pop-Rock? Die Nummer könnte schon im Radio laufen, ist sehr melodisch, instrumental sehr zurückhaltend und geht mit schöner Gesangslinie sofort in Ohr und Beine. Viele wollen hier U2 Vergleiche bemühen, doch wozu? DREAM THEATER können eben auch eingängig und müssen instrumental nicht immer an die Grenze des physikalisch machbaren gehen.

Der nächste Doppelschlag macht aber deutlich, daß die New Yorker noch lange nicht eingerostet sind. "Panic Attack" rifft hektisch groovend drauflos, Rudess legt unter das harte, treibende Grundgerüst herrlich harmonische Pianoarrangements und zitiert gerne auch nochmal aus dem Überwerk "Scenes From A Memory". Ein Zeichen von Ideenlosigkeit? Ne, eher ein Schmankerl für aufmerksame Zuhörer, und solange nicht ganze Songteile selbstkopiert werden, ist gegen wenige Sekunden lange Zitate gar nix einzuwenden. Gegen Ende steigert sich der Track in richtig gute und nicht ganz DT-typische Sangesmelodien mit hohem Wiedererkunngswert. Kaum hat man sich erholt wird man musikalisch schon wieder zu Boden geschickt: "Never Enough" hat sich bei mir nach kurzer Zeit zu einem heimlichen Favoriten gemausert. Düstere Keyboardläufe bereiten den Weg für ein hektisch-verrücktes Petrucci Riff. Und dann der Gesang! LaBrie liefert hier sein Glanzstück ab: Völlig DT-untypisch, leicht musical/operettenhaft, drängend und psychotisch schmettert der oft geschmähte Fronter eine völlig originelle und dennoch eingänge Melodie um die Ohren! Petruccis Gitarrensolo ist allererste Sahne, keine sinnlosen Lichtgeschwindigkeitsskalen - und trotzdem würden sich 99% der übrigen Gitarristen dieser Welt die Finger brechen.

Aus DREAM THEATER Album spätestens seit dem denkwürdigen "Space Dye Vest" nicht mehr wegzudenken: Dialoge aus Filmen und Nachrichtensendungen. Kaum ist das anfängliche Stimmchaos verklungen, leitet eine schöne Pianomelodie "Sacrified Sons" ein. Typisches DT-Kino: Erhabene Melodien und Chöre treffen auf Orchesterklänge und vollkommen gestörte Instrumentalorgien, die sich hier aber bestens in den Song einfügen und nicht wie bei "In The Name Of God" zu reinem Selbstzweck verkommen. Petrucci zeigt endlich wieder seine gefühlvollen Soli. Und wie schon erwähnt: Das echte Orchester macht ungleich mehr her als die Konservenstreicher früherer Werke.
Stoßen wir zum Herzstück des Albums vor: Das 25minütige "Octavarium" leitet das große Finale ein. Es ist einfach öde, jeden Longtrack mit dem seligen "A Change Of Seasons" zu vergleichen, sparen wir uns das. Die ersten vier Minuten sind wohl das, was viele als "Shine On You Crazy Diamond"-Kopie verteufeln oder vergöttern. Haben Pink Floyd das Recht auf ruhige, atmosphärische Gitarrenintros gepachtet? Wenn man pingelig ist, könnte man noch parallelen zu Queens quasi-Instrumentalstück "Bijou" ziehen, aber Musiker inspirieren sich nunmal gegenseitig. Und diese Intro ist weit von einer bloßen Kopie entfernt. Dann setzen Flöten ein, was die Ohren einerseits streichelt und andererseits nicht zu kitschig klingt. Schön. Die nächsten 20 Minuten sind ein Longtrack, wie er im Buche steht. Langsame Steigerung, dann, viel später, die Explosion in ein grandioses Frickelinferno allererster, mitreißender Güte, die Härte nimmt ständig zu, am Ende brüllt sich LaBrie so aggressiv wie nie die Seele aus dem Leib (ohne damit zu nerven). Und wenn die vier Extremmusiker erschöpft an ihren Instrumenten zusammenbrechen, werden sie von einer herrlichen Gänsehaut-Soundtrack-Melodie vom Orchester aufgefangen und sicher an das Ende einer musikalischen Odyssee geleitet.

FAZIT: Klingt nach einem 15 Punkte Album? Leider nicht so ganz. Denn zwei bis drei der Stücke gehen zwar nach dem ersten Hördurchlauf bestens ins Ohr, nutzen sich aber nach dutzenden Hördurchläufen ein wenig ab. Viele Passagen sind richtig gut, DREAM THEATER wie man sie liebt, aber die GANZ großen Momente wie auf SFAM und IAW fehlen wieder einmal. Kleinere Gänsehautmomente sind aber wieder vorhanden - und kein anderes Album der DT-Historie hat so viel Potential, neue Fans zu gewinnen, denn die Balance zwischen Eingängigkeit und Komplexität ist schon beeindruckend. Es gibt hier "nur" 11 wohlwollende Punkte, weil DREAM THEATER den musikalischen Standard mit einigen ihrer Werke selbst in so schwindelerregende Höhen geschraubt haben.

Nils Herzog (Info) (Review 10984x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Wertung: 11 von 15 Punkten [?]
11 Punkte
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Tracklist:
  • The Root Of All Evil
  • The Answer Lies Within
  • These Walls
  • I Walk Beside You
  • Panic Attack
  • Never Enough
  • Sacrificed Sons
  • Octavarium

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
Kommentare
Thomas Wilhelm
gepostet am: 21.07.2010

User-Wertung:
13 Punkte

DT haben in ihrer langen Karriere einige so unglaublich geniale Scheiben veröffentlicht, dass man sich als Fan mit jedem neuem Output natürlich ähnliches erhofft.
Ich persönlich muss mich jedesmal dazu zwingen, von dieser völlig überhöhten Erwartungshaltung zu verabschieden, um ein neues Werk angemessen würdigen zu können.
Lange Rede, kurzer Sinn, Octavarium löste bei mir während des Durchhörens sehr widersprüchliche Gefühle aus. "The answer lies within" ist für meinen Geschmack ein ausgesprochener Langweiler und "I walk beside you" viel zu Radio-mäßig. Dazwischen gute (The root of all evil, These walls) und sehr gute Songs (Panic attack, never enough, sacrificed sons).
Und dann kam der Titelsong und ich war erst mal sprachlos. Vor allem der orchestrale Abschluss ist schlichtweg das genialste, was jemals meine Gehörgänge erreicht hat!
Wenn ich dieses Glücksgefühl, das dieser Song bei mir auslöst, destillieren könnte und verkaufen würde, wäre Bill Gates binnen kurzem ein armes Schwein gegen mich!
Fazit: Mehr als eine 11 wäre eigentlich nicht drin, aber ein Album, das den besten Song aller Zeiten enthält, hat dann doch eine 13 verdient.
Jon
gepostet am: 06.04.2012

Durchwachsene Scheibe. Root of all Evil, Sacrificed Sons und der Titeltrack sind gutes Material, der Rest zum großen Teil zielloses Kokettieren mit verschiedenen Stilrichtungen ("Answer Lies within" und "I walk beside you" sind eher flache Pop-Rock-Songs, "Panic Attack" und "Never Enough" Nu Prog der Marke Muse).

Ich werfe niemandem vor, eine Weiterentwicklung zu vollführen, aber Dream Theater entwickelten sich nie weiter, sie gingen irgendwann nur eine Menge Kompromisse ein - das ist einfach Mist.
Jon
gepostet am: 06.04.2012

* PS: Natürlich meinte ich es so - Ich behaupte nicht, sich nicht weiterentwickeln zu drüfen...
Tim
gepostet am: 13.11.2012

User-Wertung:
9 Punkte

Seh ich genauso wie Jon! Octavarium ist meiner Meinung nach mathematisch beschrieben sogar bisheriges globales Minimum der Dream Theater Discography, die ja schon überdurchschnittlich gut ist. Dass der Härtegrad zurückgeschraubt wurde nach zwei vorrausgegangenen richtigen Heavy-Alben ist dabei nur indirekt das Manko. Wie Jon schon sagte auch ein Song wie Panic Attack ist ebenso wenig gefällig wie die ganzen Kuschelrock Songs mit zu billigen Songstrukturen (besonders The Answer Lies Within, I Walk Beside You). Dass auch Octavarium kein Rohrkrepierer ist, zeigt sich allerdings dadurch, dass die Songs an sich schon berühren können und dass der Titeltrack ja schon eindrucksvoll beweist, dass das Traumtheater die eigenen Tugenden ja nicht verlernt oder vergessen hat.
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
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