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Sophie Jamieson: I Still Want To Share (Review)

Artist:

Sophie Jamieson

Sophie Jamieson: I Still Want To Share
Album:

I Still Want To Share

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Folk-, Indie- und Dream-Pop

Label: Bella Union
Spieldauer: 45:15
Erschienen: 17.01.2025
Website: [Link]

I Still Want To Share“ heißt das zweite Album der Londoner Songwriterin SOPHIE JAMIESON – und dieser Titel deutet schon an, dass sie die Themen, mit denen sie sich auf ihrem Debüt-Album „Choosing“ beschäftigt hatte, noch nicht vollständig verarbeitet hatte - denn offensichtlich hat sie immer noch etwas mitzuteilen. SOPHIE JAMIESON erklärt das so, dass es auf dem Album „Choosing“ darum gegangen sei, zu ergründen, wie sie mit Schmerzen umgehen könnte und dass sie auf dem neuen Album nun herausarbeiten wollte, woher diese Schmerzen ursprünglich überhaupt kamen.

Das ist aber alles einfacher dahergesagt als umgesetzt – denn SOPHIE JAMIESON ist keine Künstlerin, die jemals einen geradlinigen, einfachen Weg wählen würde. Das zeigt schon alleine ihre Geschichte: Bereits 2014 tourte sie als hoffnungsvolle Anwärterin auf das Next-Big-Thing-Label in Sachen Indie-Songwriterin mit ihrer Debüt-EP auch durch unsere Lande. Damals schienen ihr alle Türen offen zu stehen. Aber eine Reihe von unglücklichen, falschen Entscheidungen in Bezug auf die Menschen, mit denen sie zusammenarbeiten wollte, eine gescheiterte Dayjob-Karriere und eine persönliche Existenzkrise führten dazu, dass die angestrebte Laufbahn als Songwriterin erst einmal versandete. Zwar erwies sich diese Phase im Rückblick als kathartisch (und lieferte schließlich auch den Fundus, aus dem die Musikerin im Folgenden songwriterisch schöpfen konnte); jedoch hatte dieser kreative Burnout zur Folge, dass ihre Debüt-LP erst 8 Jahre später erscheinen konnte.

Dieses Mal dauerte es mit zwei Jahren Planungs- und Vorbereitungs-Phase nicht ganz so lange, bis das neue Album „I Still Want To Share“ erscheinen konnte – doch auch dieses gelang erst nach einem zweiten Anlauf – und nachdem sie in dem Produzenten GUY MASSEY einen versierten und verständnisvollen Partner fand, mit dem sie gemeinsam die neuen Songs kollaborativ erarbeitete und der ihr dabei half, ihren Visionen musikalisch eine kohärente Richtung zu geben.


Das, was das neue Album von dem ersten Werk unterscheidet, ist neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Themen Akzeptanz des Gegebenen und der Frage, welche Funktion die Liebe im Leben der SOPHIE JAMIESON wohl haben mag, auch ein weiterentwickeltes musikalisches Konzept.
War auf dem „Choosing“-Album und den vorangehenden EPs „Hammer“ und „Release“ noch das Klavier als Leitinstrument um ihr Storytelling verankert, so entschied sie sich auf dem neuen Album dazu, alle Songs mit der Akustikgitarre einzuleiten. Des Weiteren wurden die Indie-Rock-Elemente, die auf „Choosing“ ansatzweise zu erkennen waren, zurückgefahren und durch eine organische, folkige Herangehensweise ersetzt, die einerseits ihrer klagend-beruhigenden Gesangsstimme viel Raum zur Entfaltung bietet, aber andererseits auch Platz für schwelgerisch-atmosphärische Streicher-Arrangements einräumte. Das zuvor maßgebliche Klavier wird hier in Songs wie „Camera“ eher ornamental und akzentuierend eingesetzt, während sich in anderen Stücken, wie „Vista“ oder „How Do You Want To Be Loved“, ein Omnichord prägend bemerkbar macht.


Trotz allem ist „I Still Want To Share“ keine klassische Folk-Scheibe geworden, was vor allen Dingen daran, dass SOPHIE JAMIESON es darauf anlegt, mit den Mitteln der Dynamik immer wieder explizite Spannungen aufzubauen, die sich dann in Tracks wie „I Don't Know What To Say“, dem Titeltrack (in dem es auch um das Teilen von Gefühlen und Erfahrungen geht) und besonders dem fast Songbook-artig strukturierten „Your Love Is A Mirror“ immer wieder in fast schon orgiastischen Auflösungen ergehen, die den Hörer unweigerlich in ihren Bann ziehen.


Zwei Songs fallen hierbei besonders aus dem Rahmen. Das ist zum Einen das als zärtliches Wiegenlied aufgebaute Folk-Stück „Baby“, welches die Beziehung einer jungen Mutter zu ihrem neu geborenen Kind thematisiert und – dank des geschickten Einsatzes des schon erwähnten Omnichords – der im Vergleich fast schon poppige Track „How Do You Want To Be Loved“, der den Hörer mit seinem hypnotischen Refrain in Beschlag nimmt und das Thema Akzeptanz besonders deutlich hervorhebt. Nicht zufällig sind gerade diese beiden Tracks die melodisch und harmonisch zugänglichsten des Albums.

In der abschließenden jazzigen Ballade „Time Bends You Over Backwards“ findet SOPHIE JAMIESON schließlich zwar zu keiner Auflösung, aber immerhin zu der Erkenntnis, dass sie als Individuum nicht die alleinige Verantwortung an den Missgeschicken verantwortet, die zu der eingangs geschilderten Krisensituationen führten, sondern dass wir alle im Laufe der Zeit genau dann auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden, wenn wir glauben, das Leben selbstbestimmt lenken zu können.

Dieses Album allein an seinem Unterhaltungswert messen zu wollen, führte in die Irre, denn als emotionale, immersive Hör-Erfahrung bietet „I Still Want To Share“ einfach mehr als bloße Zerstreuung und Entspannung.


FAZIT: Das Erfolgsgeheimnis, das „I Still Want To Share“ zu dem Meisterwerk macht, dass es nun mal ist liegt vermutlich daran, dass sich SOPHIE JAMIESON die Sache eben nicht einfach macht, sondern sich auf der inhaltlichen Ebene in ihre schonungslose Selbstanalyse gleichsam hineinsteigert und dabei Verletzlichkeit und Schwächen zulässt während sie sich musikalisch durch die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit GUY MASSEY neue Ausdrucksmöglichkeiten erarbeitete, die die emotional Authentizität des Vortrages auf subtile und feinsinnige Weise unterstützen.

Ullrich Maurer (Info) (Review 86x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • Camera
  • Vista
  • I Don't Know What To Save
  • Baby
  • Welcome
  • Highway
  • I Still Want To Share
  • How Yo You Want To Be Loved
  • Your Love Is A Mirror
  • I'd Take You
  • Time Pulls You Over Backwards

Besetzung:

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