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Herr Wade: This Is Softcore (Review)

Artist:

Herr Wade

Herr Wade: This Is Softcore
Album:

This Is Softcore

Medium: CD/Download
Stil:

Jangle-Pop, Deutsch-Pop, Sophisticated-Pop, Yacht-Rock, Blue Eyed Soul, Funk, Latin

Label: Bureau Platiruma
Spieldauer: 38:33
Erschienen: 28.02.2025
Website: [Link]

Es gibt sie immer noch im Musik-Business (oder erzwungenermaßen immer öfter?) - die mutigen Idealisten, die umtriebigen Nerds, um nicht zu sagen die sympathischen Spinner, die mit viel positiver Energie, gutem Geschmack und einiger Risikobereitschaft wunderbare Platten jenseits des Mainstreams und ganz ohne große oder auch nur mittelgroße Labels herausbringen. Sebastian Voss, treibende Kraft hinter dem Projekt HERR WADE und dessen neuem Album "This Is Softcore",gehört definitiv dazu.

Und weil er das so unnachahmlich kann, darf sich Voss hier gern selbst vorstellen: "Seb, von Hause aus Psychiater und Psychotherapeut, lebt im Rahmen seiner Midlife Phase seinen alten Kindheitstraum vom Plattenruhm (Platiruma!!!). Ebenfalls Multiinstrumentalist, wenngleich weniger virtuos, als sein norwegischer Freund, schreibt er kontinuierlich Songs und performt, unter anderem auch wieder live mit seiner Band The Fisherman And His Soul. Am besten ist er an der Blockflöte und an der Oboe. Am liebsten spielt er Bassgitarre und croont dazu. Daneben ist das Label („Liebhaberei“) Platiruma!!! auf seinem Mist gewachsen."


Wer nun, neugierig geworden, tiefer einsteigt in den HERR WADE-Kosmos (etwa über die mit reichlich Tonträgern bestückte Bandcamp-Website), lernt bald auch besagten norwegischen Freund kennen: den Multiinstrumentalisten und Songwriter Jørn O. Åleskjær aus Askim bei Oslo, "dessen größter Traum es ist, einen ESC-Hit zu landen". Ironie? Bei diesem Duo weiß man nie - andererseits lautet das Motto zur neuen Platte angesichts der düsteren Weltlage "Irony is over" - in Abwandlung einer berühmten Songzeile von Pulp aus deren Britpop-Meisterwerk "This Is Hardcore" (1998).

Pulp-Frontmann Jarvis Cocker gehört also irgendwie logischerweise zu den aktuellen Inspirationen für Voss und Åleskjær - und das nicht nur wegen der "Irony"-Textanleihe und des eigenen Albumtitels "This Is Softcore". Auch der augenzwinkernde Umgang mit Sprache und der amüsierte, manchmal leicht versnobte Grundton der Sänger sind vergleichbar. Ganz herrlich beispielsweise "Depressiver Fußball in der alten BRD", eine Abrechnung von HERR WADE mit dem eklig abgefeimten Rumpel-Kick der deutschen WM-Nationalmannschaft von 1982 gegen Österreich, der berüchtigten "Schande von Gijon".


Es geht nicht immer leicht und locker und ironisch zu auf "This Is Softcore", auch wenn man als Hörer oft schmunzeln muss. "Zwischendurch kommt die Party zum Erliegen", räumt Voss ein. "Zwar dudeln Mezzoforte im Hintergrund, aber die Kastanien starren dich zu dystopischen Synthesizerflächen an. Nein, so viel Schwermut war noch nie auf einer HERR WADE-Platte zu hören."

Musikalisch schöpfen Voss und Åleskjær aus Quellen wie Jangle-Pop, NDW (Andreas Dorau!, Rocko Schamoni!, Spliff!), Yacht-Rock, Blue Eyed Soul, Funk light, Latin und Edelkonfektion der Sophistipop-Marken Prefab Sprout, Orange Juice, The Go-Betweens oder Belle and Sebastian. "Und wenn mein Buddy Pogo McCartney aus Münster die Musik und den Gesang von Jørn und mir auf „This Is Softcore“ sogar mit Marvin Gaye und Manfred Krug vergleicht, dann… ja, dann werde ich sogleich ein Apfelbäumchen, nein, eine ganze Plantage davon pflanzen und sogleich vergnüglich summen, wie eine fröhliche Biene. Ganz unironisch", sagt Sebastian Voss über sein neues Werk.


Und als hätte der Münsterländer mit HERR WADE, seinem derzeitigen Zweitprojekt The Fisherman And His Soul und dem eigenen Label Bureau Platiruma nicht schon genug zu tun, kümmert er sich nun auch noch um die Wiederveröffentlichung älterer musikalischer "Sünden". 


So kam im Dezember "Distance Is Necessary" (2008) von Stars Play Music neu heraus, einer früheren Band von Voss mit dem heutigen Musikjournalisten André Bosse (Gesang, Gitarre) und Sängerin Alexandra Romary. Und ebenfalls in diesem Februar erschien eine Kompilation des allerersten Voss/Bosse-Projekts Stars Of Track And Field.

"Wir spielen diese Songs völlig frei von Rock 'n' Roll, den wir lieber verbal vernichten als anpassen. Wir spielen diese Nummern mit viel Gefühl, oft wehmütig, manchmal mit sanfter Euphorie, als würden wir dem Glück nicht trauen, das uns manchmal wie ein scheuer Schmetterling über den Weg läuft", schreibt Sebastian Voss zu "Episodes And Postcards (Complete Recordings 1995-2005)". "??Das funktionierte gut bis Ende 2004. Dann implodierte Stars Of Track And Field in eine andere Gruppe von Stars namens Stars Play Music. Dieses Album vereint alles, was wir in dieser Zeit aufgenommen haben, mit wechselnden Besetzungen und supercoolen Gästen wie den Bläsern des Cool-Jazz-Avantgardisten Lars Vegas. ??Alles, was bleibt, ist diese Platte."


FAZIT: "Irony is over" behauptet das wunderbare deutsch-norwegische Sophisticated-Pop-Projekt HERR WADE. Wirklich? Auch das neue Album "This Is Softcore" ist, beim abgewandelten Pulp-Titel angefangen, ein großer, amüsanter, oft ironischer Spaß. Man muss als Hörer nicht alles allzu ernst nehmen, weil auch Mastermind Sebastian Voss nicht alles allzu ernst nimmt. Musikalisch und textlich ist das durchaus ambitioniert, aber eben immer mit dem Augenzwinkern des genialen Dilettanten. Gut, dass es solche Leute wie Voss und seinen norwegischen Bandpartner Jørn O. Åleskjær heute im Pop-Business noch gibt.

Werner Herpell (Info) (Review 139x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
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Tracklist:
  • Auf der Suche nach dem weichen Kern
  • Mezzoforte
  • Meine Hydratation
  • Dieser Mann
  • Depressiver Fußball in der alten BRD
  • Lotto
  • Kastanien
  • Schmetterlingseffekt
  • Das Olympische Feuer
  • Der Fosbury Flop
  • Softcore
  • Waldbaden
  • Das Gegenteil von Hygge

Besetzung:

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