Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Satin Whale: History Box 1 – The Studio Albums 1974-1981 (Review)

Artist:

Satin Whale

Satin Whale: History Box 1 – The Studio Albums 1974-1981
Album:

History Box 1 – The Studio Albums 1974-1981

Medium: 5-CD-Box
Stil:

Progressive Rock, Art Pop, Folk

Label: MIG music
Spieldauer: 214:14
Erschienen: 24.11.2023
Website: [Link]

Wenn MIG music mal wieder eine fette CD-Box schnüren, darf grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass dabei nicht nur vom Sound her ein hochwertiges Produkt herauskommt, sondern auch die gewählte Band und deren Alben etwas ganz Besonderes, oftmals völlig zu unrecht Vergessenes sind, die – sowie sie einem wieder ins Bewusstsein gerufen werden – bei progressiven und neugierigen Rockmusik-Hörern einerseits Verwunderung hervorrufen, warum solch großartige Musik eigentlich in Vergessenheit geriet und andererseits große Begeisterung darüber, weil genau diese Musik wieder in den Fokus unserer Aufmerksamkeit gerückt wird.
Wir hätten echt etwas verpasst, wenn wir in diesem Falle SATIN WHALE übersehen hätten!
Noch dazu kommt große Begeisterung auf, wenn man in der fetten 5-CD-Box „History Box 1 – The Studio Albums 1974-1981“, die tatsächlich alle fünf Studio-Alben des deutschen Prog-Rock-Quartetts enthält, das 12-seitige Booklet entdeckt, in dem ausführlich in deutscher Sprache (!!!) die Geschichte hinter Band und Alben erzählt wird. Hier erfahren wir natürlich auch gleich, in welche Richtung ihre Musik geht, denn sie orientieren sich einerseits deutlich an ihren Vorbildern und bringen andererseits auch jede Menge eigene kreative Ideen, die gerne auch mal am Jazz-Rock kratzen dürfen, mit ein.
Daher dürfen wir nach folgenden Worten des singenden Bassisten von SATIN WHALE, Thomas Brück, schon eine entfernte Vorstellung davon haben, was uns hinter diesen fünf Alben erwartet: „Wir hatten Vorbilder, die uns beeinflusst haben, von JETHRO TULL über DEEP PURPLE und später auch mal SUPERTRAMP. Wir waren von Anfang an bemüht, genauso gut zu spielen wie die anglo-amerikanischen Kollegen.“

Da sich SATIN WHALE Anfang der 1970er-Jahre gründete, war es natürlich schon von vornherein ziemlich klar, dass sie der Schublade 'Krautrock' zugeordnet werden sollten. Doch das passt bei diesem Kölner Vierer einfach nicht, denn hier wird nichts 'verkrautet', sondern ganz klar der Progressive Rock bedient, sodass bereits ihr 1974er-Debüt-Album „Desert Places“ auf dem Brain-Label landete und sich als ideal passend diesbezüglich erwies.
Der Einsatz fetter Orgeln, aber auch härterer E-Gitarren-Parts und besonders von Saxophon sowie Flöte verlieh der Musik ein breit gefächertes Klangbild, bei dem einem natürlich JETHRO TULL oder URIAH HEEP, aber – um in Deutschland zu bleiben – auch TRIUMVIRAT oder BIRTH CONTROL und JANE, in den Sinn kamen. Blues fehlte ebensowenig wie Jazz-Rockiges, sodass „Desert Places“ mehr als ein progressives Musik-Achtungszeichen, sondern auch der Improvisationskunst wegen gleich eine echte Hausmarke wurde, aus welcher der fast viertelstündige Longtrack „Perception“ voller Jam-Ideen und Stil-Wechsel bestach.

Übrigens wird sich der Box-Käufer zudem darüber freuen, dass auf jeder CD als Label das jeweilige Album-Cover-Bild integriert wurde. Da kann's zu keinen Verwechslungen kommen, wenn man vorfreudig die CD in seinen Player einfahren lässt.

Das zweite, 1975 erschienene Album „Lost Mankind“ knüft nahtlos an das Debüt an. Das einzig Neue daran war im Grunde die Tatsache, dass Schlagzeuger Horst Schättgen durch Wolfgang Hieronymi ersetzt worden war (Booklet-Zitat: „Eine Trennung ganz ohne Streit. Horst hatte Familie und andere soziale Verpflichtungen.“ […] „Wolfgang hat uns überzeugt – er war ein ungeschliffener Diamant… Ein sehr songdienlicher Drummer mit vielen musikalischen Ideen.“) und dass es zwar mit „Go Ahead“ noch einen echten Longtrack, der knapp 12 Minuten läuft, gibt, dafür die anderen Songs aber deutlich kürzer als auf dem Vorgänger ausfallen. Das trägt dazu bei, dass aus progressiver Sicht „Lost Mankind“ ein wenig hinter „Desert Places“ zurückbleibt, dafür aber JANE oder NEKTAR beachtlich nahe kommt. Besonders wirkungsvoll werden hier wiederum Flöte und Saxophon sowie die Orgel-Breitwandsounds ins musikalische Wechselspiel gebracht, sodass nie wirklich der Eindruck entsteht, „Lost Mankind“ würde den Versuch unternehmen, sich irgendwo im Mainstream ein kuschliges Eckchen zu suchen.

„As A Keerpsake“, Album Nummer 3 aus dem Jahr 1977 ist das Album mit dem 'fliegenden Fisch', den das Prog-Quartett auch auf dem Cover von „History Box 1 – The Studio Albums 1974-1981“ zu bändigen versucht. Und es ist das erste Album, das (leider) einen deutlichen Hang zu eingängigeren Rhythmen einschlägt, die aber frei übersetzt der Band eben einen 'Mordsspaß' bereiten. Auf „As A Keepsake“ wird die Musik schwächer, weil mehr dem Mainstream sowie Pop und dem Gesang sowie nicht gerade beeindruckenden weiblichem Chorgesang zugewandt. Irgendwie klingen SATIN WHALE hier wie GROBSCHNITT, als die sich ebenfalls mit ihren „Fantasten“ auf mainstreamige Abwege begaben, sodass das deutlich an JETHRO TULL erinnernde Instrumental „Marée“ tatsächlich zum Höhepunkt des mit viel zu viel Gesang überladenen Albums wird, das außerdem fast alle Songs in einer radiotauglichen Zeitspanne 'einsperrt', wofür es einen Grund gibt, wie es Roesberg und Brück feststellen: „Wir erkannten live, dass auch die kurzen Nummern ankamen. Und eins war uns klar: Die Zehn-Minuten-Stücke spielen die im Radio nicht. Nicht mehr!“

Mit „A Whale Of Time“ (1978) wird’s dann deutlich symphonischer und bleibt wiederum eingängiger, gar poppiger. Hier kommen einem doch tatsächlich FRANK DUVAL oder MIKE BATT und BARCLAY JAMES HARVEST sowie die von der Band selbst benannten SUPERTRAMP in den Sinn. So wird auch klar, warum SATIN WHALE sich für den 1979er-Soundtrack von „Die Faust in der Tasche“ verantwortlich zeigten, denn vieles daraus klingt bereits in diesem Album mit, das aber ebenfalls einen Instrumentaltitel zu bieten hat. Dafür setzt aber diese Ballade „Little Tune“ anfangs rein auf akustische Instrumente und verzichtet leider auf die Flöten. Auf's Saxophon wird diesmal leider sogar völlig bei „A Whale Of Time“ verzichtet. Denkt man ans progressive Debüt „Desert Places“, dann ist „A Whale Of Time“ vom Progressive Rock nunmehr meilenweit entfernt.

Das letzte Album der „History Box 1 – The Studio Albums 1974-1981“-Sammlung ist dann die 1981er-Veröffentlichung „Don't Stop The Show“, die schon vom Titel her nichts Gutes erahnen lässt. Mit Barry Palmer taucht sogar erstmals ein neuer Sänger bei SATIN WHALE auf, der den passenden Schmalz, aber auch jede Menge vokale Feinheiten und Rauheiten für dieses Album in seiner Stimme mitbringt. Sofort denkt man an FOREIGNER und EUROPE oder ASIA, wofür es durchaus gute Gründe gibt, denn der britische Sänger hat's absolut drauf, denn schließlich sang er nicht nur auf TRIUMVIRATs „Old Loves Die Hard“ (1976) und „Pompeji“ (1977) sowie „À La Carte“ (1978), sondern auch den Song „Crime Of Passion“ von MIKE OLDFIELD sowie auf dessen Album „Discovery“ (1984) im Wechsel mit MAGGIE REILLY jeden zweiten Song, also „Pictures In The Dark“, „Tricks Of The Light“, „Saved By A Bell“ und „Discovery“. Es ist also ein fettes stimmliches Pfund, mit dem SATIN WHALE auf ihrem letzten, sehr Pop-orientierten Studio-Album aufwarten.

Dafür aber haben der Keyboarder Gerald Dellmann und Multiinstrumentalist Dieter Roesberg die Segel gestrichen, wodurch auch Saxophon und Flöte gänzlich auf diesem Album abhanden kommen. Und dass die Band bei solch einem Sänger auf einen rein instrumentalen Titel verzichtet, ist logisch, dafür aber klingt „Let It Roll“ so, als hätte man den Song für MANFRED MANN'S Album „Angel Station“ vorgesehen. Wer also diese Phase des guten Pop, der durchaus im 80er-Style seine echte Berechtigung hatte, mag und die Anfangszeiten von SATIN WHALE zu verdrängen versucht, der wird die hohe Qualität auch des letzten SATIN WHALE-Albums mögen, das übrigens mit „Too Late“ zudem eine besonders herzerweichende, sich hymnisch steigernde Ballade enthält, die eigentlich auf jeden Kuschelrock-Sampler mit Anspruch gehört.

Danach aber krabbelte „Karl der Käfer“ los, den man nicht gefragt hatte, als man seine Umwelt zerstörte und der bei Dieter Thomas Heck zu einem veritablen Hitparade-Hit (aufgeführt am 30. Mai 1983) mit der Gruppe GÄNSEHAUT wurde.
Eine echte Gänsehaut bekommt man allerdings auch dabei, wenn man erfährt, dass GÄNSEHAUT im Jahr 1981 aus SATIN WHALE entstanden waren, die sich kurz zuvor aufgelöst und unter besagtem Bandnamen entschlossen hatten, ihren Beitrag zum Schutz der Umwelt nicht durch letztgenerationische Klimakleberei, sondern mit durchaus anspruchsvollen Pop-Songs zu leisten.

FAZIT: Wenn MIG music sich auf Entdeckertour tief in die Siebziger Jahre begibt, dann springt dabei immer etwas Großartiges, oft unter der Überschrift 'Längst vergessen…' Firmierendes heraus, das liebevoll und umfangreich sowie hochinformativ vom die gute alte deutsche Musik-Kultur bewahrendem Label aufgearbeitet wurde. Diesmal also die „History Box 1 – The Studio Albums 1974-1981“ von SATIN WHALE, einer deutschen Progressive-Rock-Band mit Hang zu JETHRO TULL und URIAH HEEP, die sich nach zwei Alben deutlich den eingängigeren Rock- und Pop-Klängen zuwandte und es dabei auf insgesamt 5 Studio-Alben brachte, die allesamt in dieser 5-CD-Box samt umfangreichem Booklet vereint sind. Und um es am Ende mit den Worten ihres singenden Bassisten Thomas Brück auszudrücken (Wiederum nachzulesen im Booklet der Box!): „Es war ja eine unfassbare Zeit, in der wir groß geworden sind… Ich würde keine Sekunde missen wollen. In dieser Band haben wir gelernt fürs Leben, in allen Bereichen.“

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2335x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • CD 1 = Desert Places = (43:50):
  • Desert Places
  • Seasons Of Life
  • Remember
  • I Often Wondered
  • Perception
  • CD 2 = Lost Mankind = (42:57):
  • Six O'Clock
  • Lost Mankind
  • Rêverie
  • Go Ahead
  • Trace Of Sadness
  • Midnight Stone
  • Song For 'Thesy'
  • Beyond The Horizon
  • CD 3 = As A Keepsake = (43:43):
  • Holidays
  • Reminiscent River
  • Devilish Roundabout
  • A Bit Foolish – A Bit Wise
  • Shady Way
  • Goin' Back To Cologne
  • Kew Gardens
  • Marée
  • No Time To Lose
  • CD 4 = A Whale Of Time = (44:18):
  • A Whale Of Time
  • Racing Diver
  • Mighty Skycrapers
  • Your Love
  • Desert Village
  • Spring
  • One More Night
  • More Than A Voice
  • Little Tune
  • I Can't Believe
  • CD 5 = Don't Stop The Show = (39:26):
  • Don't Stop The Show
  • Lady Night
  • Stay With Me
  • Out Of Control
  • Girl
  • It's Better
  • Let It Roll
  • Too Late
  • My Ann

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Vervollständige: Laterne, Laterne, Sonne Mond und...

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!