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Strandberg Project: The Works! (Review)

Artist:

Strandberg Project

Strandberg Project: The Works!
Album:

The Works!

Medium: 4-CD-Box
Stil:

Progressive-, Jazz-, Space-, Psyche- und Retro-Rock, Folk, Soul, Funk

Label: Sacrest Oy/Just For Kicks
Spieldauer: 206:09
Erschienen: 28.04.2023
Website: [Link]

Denkt man nicht, wenn man den Titel „The Works!“ liest, sofort an EMERSON, LAKE & PALMER?
Bestimmt doch in progressiven Kreisen – auch wenn die beiden 'Best Of'-Teile durchaus nicht jeden zu Begeisterungsstürmen hinrissen.
Na ja, der Prog-Fan mag größtenteils sowieso keine Compilation, da Progressive Rock oftmals Konzepten folgt, die durch solche Zusammenstellungen häufig aus ihrem Zusammenhang gerissen werden.
Darum wechseln wir gleich unsere Sichtweise und kommen zu der Frage: „Wer denkt bei solchem Titel eigentlich an das STRANDBERG PROJECT?“
Niemand?!
Da sollte umgehend Abhilfe geschaffen werden.
Denn alle, die Prog + Finnland nur mit solchen Namen wie THE SAMURAI OF PROG oder WIGWAM (Die wahren finnischen Wegbereiter des Progressive Rocks!) und natürlich den durch seine Zusammenarbeit mit Mike Oldfield bekannten Bassisten PEKKA POHJOLA in Verbindung bringen (Live zu hören und zu sehen auf „Exposed“!), die müssen ab sofort einen weiteren großen Bassisten-Namen ihrer progressiven und jazzrockenden Rechnung hinzufügen: JAN-OLOF STRANDBERG!

Strandberg ist im Grunde eine echte, hundertprozentig gleichwertige Konkurrenz zu MARCO BERNARD, dem TSOP-Stammbassisten, und zugleich hervorragender Nachfolger des 2008 verstorbenen Pohjola, nur dass sich Strandberg deutlich stärker auch anderen musikalischen Richtungen, ganz besonders dem Jazz Rock, aber auch Soul und Funk zuwendet. Genau hierüber gibt in vorbildlicher Weise die „The Works!“-4-CD-Box plus das darin enthaltene 36-seitige Booklet Auskunft. Und so grau und farblos diese Box von außen auch erscheinen mag, im Inneren tut sich eine wahre Wundertüte an musikalischer und gestalterischer Vielfalt auf. Das alles erinnert ein wenig auch an die zwei THE SAMURAI OF PROG-Boxen. Denn egal ob TSOP oder das STRANDBERG PROJECT – verantwortlich ist hierfür das akribisch auf rundum hochwertige Qualität setzende Seacrest-Oy-Label, sodass man für vergleichsweise wenig Geld jede Menge Hochwertiges geboten bekommt.

Das STRANDBERG PROJECT ist Entdeckung und Geheim-Tipp der absoluten Extraklasse zugleich. Und zwar für alle, deren musikalischer Horizont sich zwischen Jazz- und Progressive-Rock bewegt. Die aber auch für andere musikalische Spielarten ein offenes Ohr haben, wenn beispielsweise auf dem letzten Album der Box, „Creativity“, sogar (vorsichtig) gescratcht wird oder dem Soul und Funk durch Sängerin Jenny Darren Tür und Tor geöffnet wird.

Innerhalb dieses Projektes des begnadeten Bassisten begegnen uns beispielsweise einige Mitglieder bzw. Gastmusiker von THE SAMURAI OF PROG oder PÖRSTI und PACHA PÖRSTI sowie dem PAIDARION FINLANDIA PROJECT, in welchem bereits Kev Moore genauso wie bei Pörstis „Wayfarer“ mitsang. Auch tauchen Robert Webb, Bogati-Bokor Akos und Jenny Darren als Sänger sowie Otso Pakarinen als Keyboarder wieder auf, allesamt bereits eingebunden bei den progressiven Samuraien.

Öffnet man die grau marmorierte Hardcover-Box, wird man sofort begeistert feststellen, dass jede CD in einem aufklappbaren Mini-LP-Cover verpackt ist, innerhalb dessen sich die Angaben zu den Songs samt Spielzeit und den beteiligten Musikern befinden. Dazu enthält das 36-seitige Booklet noch einen umfangreichen Text zu allen Alben von JAN-OLOF STRANDBERG plus jede Menge Fotos.

CD 1 „The Nordic Treatment“ ist Jazz Rock vom Allerfeinsten, irgendwo zwischen dem MAHAVISHNU ORCHESTRA und WEATHER REPORT und natürlich HERBIE HANCOCK, von dessen Band schließlich der auf diesem Album kongeniale Strandberg-Partner PAUL JACKSON als Bassist, Keyboarder und Sänger in Erscheinung tritt. Offensichtliches Strandberg-Vorbild und Inspirator am Bass scheint hierbei der WEATHER REPORT-Bassist JACO PASTORIUS zu sein. Aber es gibt auch mit „Midnight Seeks A Lonely Heart“ eine starke Soul- sowie mit „The Groove“ eine ebenso beeindruckende Funk-Nummer zu hören, die deutlich an der Motown-Tür anklopfen.

Längster Song des ersten Albums mit über acht Minuten ist die todtraurige Ballade „Pain“, die besonders vom emotionalen Jones-Gesang lebt und atmosphärische Erinnerungen an MARVIN GAYE weckt.

Mit dem Instrumental „Symphonic Shuffle“ wiederum geht es progressiv-rockig zur Sache samt einem ausgiebigen Bass-Solo. Allerdings soll der Progressive Rock erst auf der nächsten CD eine noch wichtigere Rolle spielen. Für viele eine kleine Sensation, dass der Keyboarder Jukka Gustavson (auch als Produzent) von der kultisch verehrten finnischen Prog-Rock-Legende schlechthin, WIGWAM, komplett an diesem Album mitwirkt.

Insgesamt viermal besuchte Paul Jackson (Herbie Hancock) Finnland und war Gast des Strandberg-Projekts. Während dieser Besuche wurden viele Aufnahmen mitgeschnitten. Im Jahr 2022 wurde das gesamte vorhandene Material sorgfältig gesichtet, neu abgemischt und bearbeitet. Das in dieser Box veröffentlichte Album stellt die Früchte dieser kreativen Zusammenarbeit dar.

CD 2 „Made In Finland Update“: Hier taucht mit KIMMO PÖRSTI ein 'echter' SAMURAI OF PROG auf und trotzdem ist dieses Album zwar das am stärksten dem Progrock zugewandte, aber im Grunde haben alle vier Alben der Box ihre progressiven Seiten, die zwar betont, aber nicht übertrieben werden.

DEUTER oder BLONKER oder MICHAEL ROTHER und natürlich HELLMUT HATTLER von KRAAN, der als Bassist auch von GURU GURU eine Ausnahmeerscheinung ist sowie ein paar unglaublich starke bassdominierte Platten veröffentlicht hat, rufen sich beim Hören des zweiten Albums der Box in Erinnerung.
Oft hört man aber auch ruhigen, von den finnischen Landschaften und Traditionen geprägten Folk, der es einem inklusive des weiblichen Gesangs von Jenny Darren, aber auch männlichen Gesangs von KEV MOORE, der einigen vielleicht noch von der englischen, in den 60er-Jahren gegründeten Soft-Rock-Band CHRISTIE ein Begriff ist, nicht schwer macht, dieses entspannte Album zu mögen. Aber auch hier gibt’s mit „Hahmo“, erneut einen deutlichen Prog-Ausflug, der sich auch durch Moores Gesang durchaus vortrefflich auf einem THE SAMURAI OF PROG-Album sehr wohl fühlen würde, da es zusätzlich mit einem an Mr. Gilmour gemahnenden Gitarren-Solo aufwartet und das Riff-Brett wild hoch- und runterfährt.

So verträumt wie „Made In Finland Update“ mit „Crossover“ begann, geht das Album auch mit „Behind The Curtains“ zu Ende, nachdem zuvor zart verträumte Saxophon-Klänge von Risto Salmi, die in „It's A Journey“ an JAN GARBAREK erinnern, das finnische Natur-Klangfeld geebnet haben.

CD 3 „Progressive Construction“ beginnt mit finsteren Electronics, die stark an STEVE HACKETT erinnern, als der vor gut 24 Jahren seine „Darktown“ betrat. Dann setzt fast freejazzig ein Saxofon ein und es wird komplex-verspielt-experimentell wie bei KING CRIMSON.
Das alles diesmal ohne Gesang, während der Anteil des Jazz Rock mit deutlich progressiver und oft sehr dunkel veranlagter Schlagseite dominiert. Doch Strandberg wäre nicht Strandberg, wenn auch hier nicht wieder jede Menge Abwechslung geboten werden würde. Darum wartet dann „Love Trusts“ doch mit zerbrechlichem (Sprech-)Gesang auf.
Genauso finster wie das Album begann, endet es dann auch mit „The Searcher's Departure“, womit sich der konzeptionell erscheinende Kreis dieser progressiven Konstruktion schließt.

CD 4 „Creativity“ setzt ebenfalls ausschließlich auf die instrumentale Seite des STRANDBERG PROJECTs, wobei wiederum durchgängig der WIGWAM-Keyboarder Gustavson mitwirkt.
Ein spezieller Hammer lauert hierbei sogar auf die Freunde von TANGERINE DREAM, wenn sie „The Searcher's Prelude“ hören, das mit seiner ekstatisch gespielten Flöte und den Electronics tatsächlich an „Alpha Centauri“ erinnert und sich nicht etwa in „The Searcher“ ansatzlos fortsetzt, sondern in Richtung Progressive Rock mit Jazz-Appeal abdriftet, der zwischen ELP und BILLY COBHAM sowie KLAUS DOLDINGER seine Vollendung sucht. Und immer wieder grüßt natürlich dabei das wetterbeständige JACO PASTORIUS-Murmeltier, wobei wir es am Ende mit einem Bass-Solo zu tuen bekommen, das einem danach die Ohren brummen (vor Bewunderung und Glück)! Doch das ist noch lange nicht des Guten genug, denn unmittelbar dem Solo am Viersaiter folgt ein feines Schlagzeug-Solo, um diese Box dann mit den letzten jazz-rockenden und einem weiteren fetten Bass-Abschluss mit „Going Home“ nachhause zu schicken, bei dem sich erneut die Flöte auf ihre Weise austoben darf, während Percussion, Bass und eine akustische Gitarre ihr dabei Rückendeckung geben und darauf achten, dass alle Flötentöne immer fein im Vordergrund bleiben, selbst in den Momenten, in denen dem Free Jazz gehuldigt wird.

Dieses STRANDBERG PROJECT darf gerne als Maß aller Dinge zwischen Prog und Jazz gehandelt werden und ist ein weiterer Beweis dafür, dass die Bassisten viel zu oft noch immer eine deutlich zu unterschätzte Musiker-Spezies sind. Grandios!

FAZIT: Wenn das STRANDBERG PROJECT nur ein Geheimtipp aus Finnland bleiben sollte, dann Schande über uns! Das äußere Grau der Hardcover-Box-Verpackung von „The Works!“ verrät einem nicht, welch farbenfrohe musikalische Vielfalt sich dahinter versteckt. Im Grunde gilt der Titel des letzten Albums der Box - „Creativity“ - durchgängig für die Musik innerhalb dieser. Die pure Kreativität und Abwechslung erwartet einen auf „The Works!“ Auf allen vier in einem Mini-LP-Gatefoldcover verpackten Alben der Box präsentiert Jan-Olof Strandberg seine unglaubliche Spielbreite, die dem eines HERBIE HANCOCK tatsächlich allemal würdig und zugleich dermaßen breitgefächert ist, dass sich dieser finnische Bassist definitiv nicht nur auf den Progressive Rock festlegen lässt und damit ähnlich sicher wie die Prog-Samuraien aufgehoben wäre. Der Mann bricht aus allen Stilen aus, um seinen eigenen zu kreieren, der eigentlich alles abdeckt, was wir gerne in den Schubladen anspruchsvollen Jazz und Rocks und Souls und Funks ablegen. Zum umfassenden Verständnis liegt der Box noch ein 36-seitiges Booklet bei, das neben der von Strandberg selbst erzählten Geschichte(n) rund um seine Musik noch jede Menge Schwarz-Weiß- und Farb-Fotos enthält, die dieser rundum fantastischen Musik eine optische Vollendung verleihen.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1809x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 14 von 15 Punkten [?]
14 Punkte
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Tracklist:
  • CD 1: THE WORKS 1, THE NORDIC TREATMENT (45:52):
  • Tip Toe
  • Pain
  • Everything You Got
  • Symphonic Shuffle
  • Midnight Seeks A Lonely Heart
  • The Groove
  • Undercover
  • It Is What It Is (Thank You Paul) 
  • CD 2: THE  WORKS 2,  MADE IN FINLAND UPDATE (53:12):
  • Crossover
  • Yes, This Is It
  • Two Sisters
  • It’s A Journey
  • Past and Present
  • The Magician’s Departure
  • Yellow
  • Grand Canyon Of My Dreams
  • Hahmo
  • Behind The Curtains
  • CD 3: THE WORKS 3, PROGRESSIVE CONSTRUCTION (49:06):
  • The Searcher’s Prelude
  • The Searcher
  • Under Construction
  • Freedom and Honor
  • Wizard Samba 
  • Busy Weekend
  • Lets Get Started
  • Freedom and Honor Part II 
  • Chilin
  • Let’s Get Started Live
  • Love Trusts
  • The Searcher’s Departure
  • CD 4: THE WORKS 4, CREATIVITY (57:59):
  • Daughters 
  • Dominique (Live)
  • Anni (Live)
  • The Searcher’s Prelude (Live)
  • The Searcher/Good News Medley (Live)
  • Rollercoaster
  • Awakening
  • Going Home

Besetzung:

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