Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Jonathan Wilson: Eat The Worm (Review)

Artist:

Jonathan Wilson

Jonathan Wilson: Eat The Worm
Album:

Eat The Worm

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Folkrock, Americana, Singer-Songwriter, Westcoast-Pop, Jazz, Piano-Pop, Country-Rock, Art-Rock

Label: BMG
Spieldauer: 50:44
Erschienen: 08.09.2023
Website: [Link]

Jetzt dreht er völlig frei, dieser JONATHAN WILSON, der sich als Top-Produzent, Singer-Songwriter eigener Güteklasse sowie gefragter Studio- und Live-Musiker über viele Jahre gewissen Konventionen unterordnete beziehungsweise unterordnen musste. Mit "Eat The Worm" ist ihm das wildeste und mutigste Album seiner Karriere geglückt. Dass ihm manche Fans seiner bisherigen, von kalifornischer Westcoast-Pop-Wärme und lässiger Laurel-Canyon-Behaglichkeit durchströmten Solowerke auf diesem Trip vielleicht nicht mehr folgen werden, nimmt der 48-jährige US-Amerikaner dabei in Kauf.

"Es klingt zwar absolut verrückt, schließlich mache ich das hier schon seit über 20 Jahren – aber es war das erste Mal, dass ich wirklich das Gefühl hatte, absolut mein Ding gefunden zu haben. Vollkommener Wahnsinn, dass es so lange gedauert hat", so zitiert sein Label BMG einen rundum zufriedenen JONATHAN WILSON. "Ich habe endlich das Gefühl, einen Weg gefunden zu haben, um die Dinge so auszudrücken, wie sie mir vorschweben. Und wenn ich dann mal kurz wie ein Asi abgehen will, dann kann ich das. Wenn ich andererseits einen Song für meine Frau singen möchte, der davon handelt, wie unser Tagesablauf im Canyon aussieht, dann ist das auch kein Problem." 

Nein, warum denn auch, wenn dabei tolle "Asi"-Schrägheiten wie "Bonamossa" (mit Maultrommel und Polter-Drumbeat) oder sanft walzernde Liebeserklärungen an die Ehefrau Andrea Nakhla wie "Hey Love" zustande kommen. Der Preis des wilden Ritts durch ein halbes Dutzend Stile: Man muss sich "Eat The Worm" schon erarbeiten, so süffig wie seine vorherigen Platten "Gentle Spirit" (2011), "Fanfare" (2013), "Rare Birds" (2018) und "Dixie Blur" (2020) klingt die neue Songsammlung nicht. Eher wie eine Kopfgeburt von Brian Wilson und Van Dyke Parke, von Jazz-Rock-Freigeistern wie Frank Zappa – oder durchaus auch von Roger Waters, dessen Band JONATHAN WILSON seit längerem höchst kompetent leitet. 

Eine „grandios verästelte Americana-Reise“ hat der "Rolling Stone" diese Entwicklung vom Teamplayer zu einem Musiker auf Ego-Trip mit Recht genannt. Manches darf hier auch mal skizzenhafter und fragmentarischer klingen, als man es vom Opulenz- und Wohlklang-Fan JONATHAN WILSON gewohnt war. Auf charmant-spinnerte Ideen (etwa ein unerwartetes Break im ansonsten wunderbar harmonischen Pianopop-Opener "Marzipan") und kleine Noise-Attacken ("Hollywood Vape") folgen Ausflüge in wiegenden Bossa Nova ("Wim Hof") oder einen fantastischen folk-grundierten Jazz, der in "Charlie Parker" einem Gott des Genres per Bläser-Solo huldigt. 

Auch die moderne US-Klassik eines Aaron Copland findet sich hier und da im nie berechenbaren aktuellen Sound-Kosmos von JONATHAN WILSON ("East LA"). Herrliche Streicher- und Bläser-Arrangements hat der Studiozauberer gleich mehrfach zentral in seine Songs eingebaut ("Ol' Father Time", "Hey Love", "Lo And Behold", "B.F.F."), es ist dann die pure Pracht. Und doch kommt auch immer mal wieder der langhaarige Hippie zum Vorschein, der sich auf  den Spuren eines Neil Young zu "Harvest"-Zeiten (1972) jede Menge kreative Freiheiten herausnimmt.

Die Geschichte von "Eat The Worm" begann de facto, als Josh Tillman alias Father John Misty (einer der Freunde und Kooperationspartner von JONATHAN WILSON) abends dessen Studio in Kalifornien gerade verlassen hatte. Der Unermüdliche setzte sich noch ein wenig ans Klavier, berichtet sein Label. „Die Mikrofone waren ja schon bereit. Und so entstand die erste Skizze von "Marzipan", dem Eröffnungssong von "Eat The Worm" …" Zugleich ein Schlüssel-Track des neuen Albums, weil nicht nur musikalisch ungeheuer einfallsreich, sondern zudem autobiografisch: JONATHAN WILSON erzählt hier vom Leben seit seinen frühen Zwanzigern in Brooklyn und wie er seine Liebe zu Folk, Country und Jazz entdeckte.

Für das neue Album, das außerdem von einer obskuren Prog-Band namens Wigwam und ihrem Frontmann Jim Pembroke inspiriert wurde, habe er "aus allen und jeglichen Komfortzonen ausbrechen" wollen, so JONATHAN WILSON. Den Großteil der neuen Songs nahm er im Alleingang auf und kümmerte sich auch selbst um die Produktion. Herausgekommen ist ein grandioses Hörerlebnis - besonders lohnend unter einem guten Kopfhörer. Und noch ein Tipp (aus eigener Erfahrung): "Eat The Worm" enthüllt seine Klasse womöglich nicht gleich beim ersten Reinschnuppern - also gebt dieser tollen Americana-Platte die zweite oder auch dritte Chance. 

JONATHAN WILSON hat sich diese Geduld des Hörers nämlich verdient, denn auch er ließ sich Zeit - und die vielen Ideen über gut zwei Jahre reifen: "In den neuen Songs stecken wahnsinnig viele Details. Denn ich hatte das Gefühl, dass es dieses Mal einfach an der Zeit war, meinen Sound zu erweitern, weshalb ich auch viel mehr mit Streichern und Bläsern gearbeitet habe. Und ich wollte ein paar der Sound- und Produktionsansätze, die ich für andere Leute im Studio entwickelt habe, auf meine eigenen Kompositionen übertragen." Well done!

FAZIT: Mit "Eat The Worm" hat sich der Westcoast-Rock-Romantiker JONATHAN WILSON noch einmal neu erfunden. Ein kompromissloses Album, randvoll mit Ideen und manchmal ohne Rücksicht auf bisherige Wohlklang-Kundschaft. Ob das nun das beste oder nur das kühnste Werk in der Karriere des gefragten Singer-Songwriters, Multiinstrumentalisten und Produzenten ist, lässt sich wohl erst mit etwas Abstand entscheiden.

Werner Herpell (Info) (Review 2531x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Marzipan
  • Bonamossa
  • Ol' Father Time
  • Hollywood Vape
  • The Village Is Dead
  • Wim Hof
  • Lo And Behold
  • Charlie Parker
  • Hey Love
  • B.F.F.
  • East LA
  • Ridin' In A Jag

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Old R.
gepostet am: 08.10.2023

User-Wertung:
13 Punkte

tja,ich denke....wohl sein bestes Soloalbum!!!
...und wohl auch etwas von seiner Arbeit mit Roger Waters inspiriert!!!???!!!

PS...TOP-Review von W.H.
Old R.
gepostet am: 09.10.2023

User-Wertung:
13 Punkte

tja,ich denke....wohl sein bestes Soloalbum!!!
...und wohl auch etwas von seiner Arbeit mit Roger Waters inspiriert!!!???!!!

PS...TOP-Review von W.H.
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Wieviele Monate hat das Jahr?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!