Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Klaus Schulze & Rainer Bloss: Drive Inn & Drive Inn 2 (Review)

Artist:

Klaus Schulze & Rainer Bloss

Klaus Schulze & Rainer Bloss: Drive Inn & Drive Inn 2
Album:

Drive Inn & Drive Inn 2

Medium: Do-CD
Stil:

Elektronische Musik

Label: MIG Music
Spieldauer: 79:36
Erschienen: 25.02.2022
Website: [Link]

Sie sind fast ungezählt, all die Solo-Alben und Kompilationen von KLAUS SCHULZE, die weit im dreistelligen Bereich liegen. Völlig anders erscheint es, wenn Schulze als ehemaliges Mitglied von TANGERINE DREAM und ASH RA TEMPEL rar gesät mal mit anderen Musikern (gleichberechtigt) zusammenarbeitet, ob als Mitglied von WAHNFRIED oder GO oder mit anderen 'Elektronikern', wie PETE NAMLOOK und HARALD GROSSKOPF sowie GÜNTER SCHICKERT, oder ARTHUR BROWN sowie LISA GERRARD und in diesem Falle dem 2015 verstorbenen RAINER BLOSS, der zuvor schon auf Schulzes „Audentity“ (1983) mitwirkte, auf dem er eine kurze gemeinsame Rast im musik-elektronischen „Drive Inn“ seiner Wahl einlegt und die besonders fruchtbar bei deren gemeinsamen neuntägigen Tournee durch Polen war, aus dem 1983 die großartige Live-Doppel-LP „Dziekuje Poland“ hervorging.

Aus dieser Zusammenarbeit gingen zudem zwei Studio-Alben hervor, die deutlich 'flotter und rhythmischer' als „Audentity“ daherkamen: „Drive Inn“ aus dem Jahr 1984 und das zwei Jahre später veröffentlichte „Drive Inn 2“, auf denen sich beide Musiker im ersten Teil gegenseitig inspirieren, im zweiten Schulze allerdings nur noch eine Nebenrolle spielt.

Doch es gibt noch einen weiteren, wahrhaft sehr außergewöhnlichen Aspekt, den diese Zusammenarbeit ausmacht, denn in den Zeiten des Kalten Krieges kamen hier ein musikalischer Elektronikspezialist aus dem Westen und ein Flüchtling aus dem durch die Mauer abgeschnittenen Osten zusammen, um als einen gewissen Ausdruck der musik-friedlichen Völkerverständigung gemeinsam Musik innerhalb des Staatengefüges hinter dem Eisernen Vorhang zu machen. Was aus Sicht des DDR-Staatsapparats (der Stasi, die von den Ossis ironisch mit dem Titel 'Die Firma Horch und Guck' bedacht worden waren) garantiert schon gehörig bedenklich war, aber zum Glück war die Musik ja rein instrumental und konnte nicht den Verdacht erwecken, dass hier gegen die DDR-Diktatur angesungen wurde, auch wenn die Stasi garantiert sehr misstrauisch die Schulze-Bloss-Musikerfreundschaft beäugte und überwachte. Schließlich war Bloss, der bis dahin bei der DDR-Rockband WIR spielte, deren Sänger Wolfgang Ziegler später schlagermäßig „Verdammt, und dann steh ich im Regen“ feststellte, bereits im Alter von 30 Jahren 1978 in die BRD übergesiedelt, indem er nach einem Konzert von WIR in Westberlin nicht wieder in die DDR zurückkehrte und so aus politischer Sicht als Flüchtling und Vaterlandsverräter im Osten galt. Logisch, dass Bloss unter diesen Bedingungen deutlich vom Mauerbau und den DDR-Zwängen (gerade als Elektronik-Musiker) geprägt war und nunmehr plötzlich gemeinsam mit dem auch im Osten als Elektronik-Guru geltenden Schulze gemeinsam musizierte.

Bloss und Schulze hatten sich kennengelernt, weil das in der DDR als Komponist (besonders Musik für Filme und Theaterstücke) und Musiker ausgebildete Multitalent seinem musikalischen Vorbild aus dem Westen ein Demo-Band zugesandt hatte, das Schulze sofort begeisterte. Eine Seltenheit aus Schulze-Sicht!

So entstand dann auch 1983 erst ausschließlich unter Schulzes Namen „Audentity“, es folgte die Tour durch Polen, bei der in den mitunter weiträumig auseinanderliegenden Städten Gdansk, Poznan, Kalisz, Wroclaw, Katowice, Krakow, Lodz und Warszawa Station gemacht wurde, was zur Folge hatte, dass den Beiden lange Autofahrten zwischen den einzelnen Konzertauftritten bevorstanden. Während dieser lief immer das Auto-Radio und Bloss & Schulze ärgerten sich gehörig darüber, dass es gerade für solche Fahrten keine passende 'Begleitmusik' gab. Ein Problem, das wir im Grunde alle kennen – und daher oft lieber eine CD als 'Radioersatz' einschieben. Das war 1983 noch nicht möglich und selbst Kassetten-Teile fehlten oft in den Auto-Radios, sodass die Abhängigkeit von den Radiostationen ungeheuer sowie unumgänglich war. Und genau unter diesem Aspekt beschlossen die beiden Musik-Elektroniker während einer dieser Autofahrten durch Polen ein speziell für diesen Zweck – ähnlich wie das ENO bereits 1978 in „Music For Airports“ umgesetzt hatte – ihre eigene Musik zu schaffen, die sich genau dieser Situation des Fahrens über die holprigen Landstraßen und Autobahnen des RGW-Landes (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, der unter sowjetischer Führung stehende Ost-Gegenpol zur EU) anpasst.

Bereits im September 1983 wurde dann aus dieser Idee heraus „Drive Inn“ als Konzept-Album eingespielt, bei dem sich jedes der insgesamt sieben Stücke um das Autofahren dreht und als Rahmen mit „Drive Inn“ beginnt und „Drive Out“ endet, während die verbleibenden sechs Electronics schon vom Titel her aufzeigen, in welche Richtung die Musik geht – also beispielsweise das an HAROLD FALTERMEYER oder YELLO erinnernde „Racing“ logischerweise sehr flott und voller treibender Percussion sowie deutlichen Weltmusik-Einschüben daherkommt.

„Sightseeing“ und „Road Clear“, mit gut 11 Minuten der längste Track, sind dagegen ruhiger und entspannter. Viel erinnert so eher an die späteren TANGERINE DREAM- oder früheren EDGAR FROESE-Werke als an Schulzes getragene Electronic-Epen, die mehr schweben als rollen.

Die gute Idee mit der 'Music For Cars' (um mal bei ENO zu bleiben) setzte sich jedenfalls so weit durch, dass schon drei Jahre später die musikalische Reise auf den Straßen der Welt weiterging und 1986 unter ganz ähnlichem Aspekt „Drive Inn II“ eingespielt wurde. Der zweite Teil wird allerdings überdeutlich von RAINER BLOSS geprägt, was schon am Original-Cover (abgedruckt auf der zweiten CD dieses Doppel-Deckers) erkennbar ist, auf dem sein Name viel größer als Schulzes erscheint. Unter diesem Gesichtspunkt unterscheidet sich der zweite Teil deutlich vom ersten und fällt viel rhythmischer, eingängiger, 'Berliner-Schule-fremder', aber trotzdem auf eine freudvolle 'Fahrstuhlmusik'-Art noch abwechslungsreicher aus. Ähnlichkeiten gab's diesbezüglich gar zu den während der damaligen Zeit auch in der DDR veröffentlichten AMIGA-Platten mit elektronischer Musik von POND, SERVI oder LAKOMY. Man merkt „Drive Inn II“ jedenfalls an, dass hier in erster Linie ein Film- und Theater-Komponist musikalisch und kompositorisch Hand anlegte, während sich Schulze stärker auf den Mix und die Produktion konzentrierte. Also viel mehr FRANK DUVAL als Berliner Schule. Und „Drive Me Funky“ würde zudem locker einen Ehrenplatz auf jedem HAROLD FALTERMEYER-Album finden. Für progressive Electronic-Zeitgeister mit Tunnelblick allerdings ist diese Musik eher ungeeignet.

Zwölf Jahre später sollte noch ein dritter „Drive Inn“-Teil folgen, an dem Schulze aber nicht mehr mitwirkte, sodass hier RAINER BLOSS alles voll nach seinen Vorstellungen umsetzen konnte. Zudem war es Bloss' letztes Album zu Lebzeiten, das es nun – nach dem ersten und zweiten Teil dieses Doppel-Albums – durchaus wiederzuentdecken gilt. Warten wir's einfach ab…

FAZIT: Zwei Alben, erstmals von MIG music zusammengefasst in einem Doppel-CD-Digipak, die aus dem faustdicken Ärger entstanden, dass man anno der Frühachtziger bei langen Autofahrten mit Radiomusik abgespeist wurde, die rundum unpassend für die angenehmen Momente solcher Autofahrten war. Also entschließen sich KLAUS SCHULZE und RAINER BLOSS während einer Konzert-Tournee durch Polen im Jahr 1983 speziell für solche Fahrten ihre eigene Musik zu entwickeln, zu komponieren, einzuspielen und zu produzieren. Das Ergebnis hieß dann einerseits „Drive Inn“ und war 1983 noch deutlich von der Berliner Schule inspiriert, und andererseits 1986 „Drive Inn 2“, bei dem RAINER BLOSS maßgeblich die musikalischen Fäden in der Hand hatte, weswegen die Schultüren in Berlin zublieben, dafür aber viel stärker die Filmmusik eines FRANK DUVAL oder flotte FALTERMEYER-Rhythmen unüberhörbar ihre Spuren hinterließen.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2424x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • CD 1 = Drive Inn = (40:27):
  • Drive Inn
  • Sightseeing
  • Truckin'
  • Highway
  • Racing
  • Road Clear
  • Drive Out
  • CD 2 = Drive Inn 2 = (39:09):
  • The Long Way To Acapulco
  • Dessert Inn
  • Berliner Nachtmusik
  • Pleasant Voyage
  • PanAmericana
  • Drive Me Funky
  • Millers Continental
  • Lovely Hitch Hiker

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Wieviele Tage hat eine Woche?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!