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Oscillazioni Alchemico Kreative (OAK): Nine Witches Under A Walnut Tree (Review)

Artist:

Oscillazioni Alchemico Kreative (OAK)

Oscillazioni Alchemico Kreative (OAK): Nine Witches Under A Walnut Tree
Album:

Nine Witches Under A Walnut Tree

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Progressive Rock

Label: Eigenvertrieb
Spieldauer: 46:48
Erschienen: 01.09.2020
Website: [Link]

Von Giordano Bruno hin zu den Hexen unterm Walnuss-Baum ist es aus OAK(Oscillazioni Alchemico Kreative)-Sicht gar kein all zu langer (musikalischer, aber auch thematischer) Weg. Bereits auf dem 2018 erschienenen „Giordano Bruno“ verstand OAK – ein Musikprojekt hinter dem sich der singende Multiinstrumentalist Jerry Cutillo aus Italien verbirgt, der sich sehr kritisch mit der beängstigenden Allmacht der Kirche in seinen Konzept-Werken auseinandersetzt – es ausgezeichnet, ein buntes, progressives Rockmusik-Bild, das sich mit dem Leben des im Mittelalter als Ketzer durch die Kirche verdammten und hingerichteten Bruno auseinandersetzte, in Text und Ton zu verwirklichen und dabei eine Aura von JETHRO TULL bis VAN DER GRAAF GENERATOR zu verbreiten.

Zwei Jahre später ist „Nine Witches Under A Walnut Tree“ eine eindrucksvolle Fortsetzung, die von Konzept und Musik her in eine ganz ähnliche Bresche schlägt und sogar erneut den legendären VAN DER GRAAF-Saxofonisten DAVE JACKSON zu einem Gastbeitrag auf „Donna Prudentia“ verführt.

Unerlässlich für die kreative und zugleich kritische Sicht von OAK ist/sind natürlich die ineinander verflochtenen Geschichten hinter dem klug durchdachten und sich dieses Mal weit in die Welt der Legenden schlängelnden Erzählungen, welche sich tief ins Mittelalter begeben, als man Menschen, die der Kraft der Natur mehr als der Kraft Gottes vertrauten, verteufelte.
Dem Konzept von „Nine Witches Under A Walnut Tree“ liegt daher eine Sage zugrunde, nach der Hexen durch die Schluchten des Monte del Taburno flogen…

...und sich an einem Walnussbaum niederließen, an dem sie ihre Rituale zelebrierten. Dabei geschah es, dass am 14. November 1572, zu der Zeit, als die Erde vom Licht der Supernova Tycho beschienen wurde, sich neun Geschichten von neun Hexen in tiefer Leidenschaft miteinander vereinten. In den neun Songs des Albums lernen wir diese wundervollen, von der Kirche und ihrer Inquisition so verfluchten und allesamt hingerichteten, Hexen und ihre Bindung zueinander kennen. Auch wenn fast alle Texte in italienischer Sprache vorgetragen werden – ein exotisches Highlight ist dabei der letzte Song „Rebecca Lemp“, der tatsächlich in deutscher Sprache gesungen (von Jerry Cutillo) und gesprochen (von Gerlinde Roth) wird – so sind die Erklärungen auf der LP und im Booklet der CD in englischer Sprache verfasst, sodass es keinerlei Probleme bereitet, der Geschichte, bzw. den neun Geschichten, von denen zwei rein instrumental verwirklicht werden, zu folgen.

OAK's musikalische Umsetzung der Hexengeschichten ist dabei so vielfältig wie die Charaktere unterschiedlich sind. Und wenn man oftmals vom typischen Franco-Italo-Prog spricht, dann erfüllen auch OAK diese für hohe Qualität stehenden Standards, die von solchen Bands wie den französischen XII ALFONSO und SEVEN REIZH oder den italienischen BANCO und FINISTERRE gesetzt werden. In Deutschland denken wir vielleicht dabei auch an NOVALIS oder HOELDERLIN.

Selbst die vokale opernhafte Arien-Ekstase fehlt nicht, wenn die Sopranistin Tetyana Shyshnyak in „Giocanna“ ihre Stimme erhebt, während auf dem Album-Opener noch einer bunten Mischung aus Akustik, Mittelalter, Sympho-Prog, Folk und JETHRO-Tull-Flötentönen gehuldigt wird.

„Dame Harvillers“ eröffnet demgegenüber mit einem Klassik-Piano-Ausflug und purer Singer/Songwriter-Affinität, um dann voll auf fette Keyboards zu setzen und in französischer Sprache besagte Hexe, die natürlich aus (dem Norden von) Frankreich stammt, zu besingen.

„Franchetta Borelli“ wiederum setzt auf eine deutliche Canterbury-Schlagseite und das erste Instrumental „Janet Boyman“, eine Hexe, die sich in einem Schiffsrumpf versteckte, wird von Wasserrauschen und Schiffslauten begleitet, während die Flöte hier – einer Gesangsstimme ähnlich – in den Mittelpunkt rückt, wobei zum Ende hin auch eine Vielzahl symphonischer Klänge für eine klassische Atmosphäre sorgen.
Instrumental Nummer zwei, „Polissena“, widmet sich dann ganz dem mittelalterlichen Folk, einem traditionellen, orientalischen Bauch-Tanz ähnlich, der sich in eine wilde Orgie zu entwickeln scheint, die zwar immer wieder ausgebremst wird, sich trotzdem zugleich wieder und wieder das Musik-Territorium ausgelassener Ekstase zurückerobert, wobei am Ende die Flöte ihre dynamische Dominanz durchsetzt.

Spätestens nach mehrmaligem Hören und Verfolgen des Konzepts hinter „Nine Witches Under A Walnut Tree“ möchte man im Grunde der katholischen Kirche – auch zu Ostern – ganz klar ins Gewissen reden und endlich einfordern: „Verdammt noch mal, wann entschuldigt ihr euch eigentlich endlich nicht nur für das, was ihr all den missbrauchten Kindern angetan habt und bisher so fein unter Verschluss halten konntet, sondern auch für das, was ihr all den Frauen, die ihr als Hexen verdammt, und den Männern, die ihr als Ketzer verunglimpft habt, und die ihr in eurer (All-)Machtbesessenheit und Wissenschaftsignoranz (Wenn's um euch ginge, wäre die Erde noch heute eine Scheibe!) unter Hilfe der Inquisitoren – den Abschlächtern aller Ungläubigen – habt verbrennen und hinrichten lassen?
Ach, und noch was: Statt Waffen solltet ihr lieber doch Homosexuelle segnen!“
Nur dass sich diese kanzel- und bibeltreuen Gottgläubigen unter permanenter Verleugnung wissenschaftlicher Erkenntnisse – Was dabei herauskommt, kann man ja momentan eindrücklich beim Umgang mit der Pandemie, in der man permanent entgegen jeglicher Vernunft die Wirkung von Viren schön- und wirtschaftlich verträglich sowie profitabel kleinredet! – nach wie vor lieber als Opfer statt als Täter empfinden. Am besten, ihr schützt euch vor euch selbst!
Ja, genau solche Gedanken kommen dem progressiven Freigeist, der sich auf dieses wunderbare, alle Hexen rehabilitierende (Wenn's die Kirche nicht hinbekommt, die Musik jedenfalls kann's!) Album einlässt, die Musik genießt und dabei traurig (und irgendwie auch wütend) den neun Lebensläufen von Frauen folgt, welche als Hexen hingerichtet wurden.

Oder um es mit dem letzten Titel, der so wunderbar nach dem gebrochen-deutschen Cutillo-Gesang von Gerlinde Roth auf den Punkt gebracht wird, auszudrücken:
„Warum hält man hier Gericht?
Warum soll ich eine Hexe sein?
Lasst mich frei! Lasst mich frei!
Was, in aller Welt, haben wir getan?
Wann hört's auf mit diesem Wahn?
Warum nur sollen wir Hexen sein?
Lasst uns frei, lasst uns frei!“

Solange Kirche noch das ist, was sie momentan verkörpert, wird wohl dieser Wunsch auf Dauer ein unerfüllter bleiben und jede Partei oder Schule, die sich auf christliche Werte beruft, eine um hunderte von Jahren zurückgeworfene Institution, welche Regeln aufstellt, denen kein modern denkender und sich den Wissenschaften verpflichteter Zeitgenosse mehr folgen kann.
Amen!
Gott wird’s schon richten und in der Bibel wohl, statt in modernen Biologie-Büchern, die Lösung für alle weltlichen Probleme stehen…

„Lasst mich frei! Lasst mich frei!“ Denken! Glauben! Leben!

FAZIT: Mit „Nine Witches Under A Walnut Tree“ setzt OAK (Oscillazioni Alchemico Kreative), das Projekt des italienischen Multiinstrumentalisten und Sängers Jerry Cutillo, auf beeindruckende Weise den italo-progressiven, konzeptionell ausgereiften Weg zwischen 'tulligen' Folk-Prog und religionskritischer Thematik fort, der bereits beim Vorgänger „Giordano Bruno“ schon absolut überzeugte. Vom Ketzer zu den Hexen – absolut konsequent, absolut hörenswert und absolut ein Schlag ins Gesicht, der sich noch immer in Geschichtsvergessenheit suhlenden katholischen Kirche.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3730x gelesen, veröffentlicht am )

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Tracklist:
  • Seite A (25:08):
  • Chlodswinda (6:12)
  • Giooconna (3:49)
  • Dame Harvillers (5:10)
  • Janet Boy Man (3:32)
  • Franchetta Borelli (6:25)
  • Seite B (21:40):
  • Polissena (4:41)
  • Donna Prudentia (5:27)
  • Nadira (5:30)
  • Rebecca Lemp (6:02)

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