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Trilok Gurtu: Crazy Saints Live (Review)

Artist:

Trilok Gurtu

Trilok Gurtu: Crazy Saints Live
Album:

Crazy Saints Live

Medium: CD
Stil:

Percussiver Jazz-Rock

Label: MIG Music / Indigo
Spieldauer: 119:05
Erschienen: 27.11.2015
Website: [Link]

TRILOK GURTU ist Gott! Selbst für Agnostiker und Atheisten, vorausgesetzt natürlich, man setzt vor diesen verHERRlichenden Begriff noch das instrumentale Wort „Percussion“!

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich Anfang der 90er Jahre ein Interview mit dem legendärsten DDR-Percussionisten NORBERT JÄGER von der STERN-COMBO MEISSEN, der sogar in Indien einen Teil seiner Percussion-Ausbildung absolvierte, führte, und Jäger von vorne bis hinten schwärmerisch und voller Hochachtung und Bewunderung immer wieder den Namen TRILOK GURTU, der mir selber zu dieser Zeit überhaupt nichts sagte, nannte. Als ich dann aber kurze Zeit später diese Live-Solo-Aufnahme Gurtus sah, war mir klar, was der Percussionist und Mitbegründer der 1964 gegründeten STERN-COMBO MEISSEN gemeint hatte!

Auf „Crazy Saints - Live“ vereinen sich drei Musiker aus drei unterschiedlichen Kulturen zu einem Trio und schaffen Großartiges, Unvergleichliches. Der indische Percussionist TRILOK GURTU, der französische Keyboarder DANIEL GOYONE und der dänische Bassist CHRIS MINH DOKY stehen gemeinsam am 29. November 1993 auf der KITO-Bühne in Bremen-Vegesack und hinterlassen, nachdem sie die Bühne wieder verlassen haben, ein Konzerterlebnis, das seinesgleichen sucht und eigentlich als legendär gelten müsste. Diese Doppel-CD ist ein totaler Glücksgriff aus dem Hause Art Of Groove des M.I.G.-Music-Labels, das uns dieses Konzerterlebnis für alle Zeiten nicht nur auf zwei Silberlingen bannt, sondern auch für ewig erhält. Fast undenkbar, dass 22 lange Jahre dieses Konzert bisher noch nicht das Licht unseres digitalen Musik-Zeitalters erblicken durfte!

Vielleicht ist ein Grund dafür, dass es leicht zu Verwechslungen kommen könnte, da das 1993 erschienene Gurtu-Studio-Album „Crazy Saints“ besonders von zwei weiteren Jazz-Legenden lebte, die aktiv darauf mitwirkten: PAT METHENY und JOE ZAWINUL. Keyboarder Goyne und Bassist Minh Doky beweisen jedoch souverän, dass auch sie die passende Größe für solche riesigen Musiker-Schuhe sind.

Von der ersten Konzertminute an spürt der Hörer die sympathische Ausstrahlung des indischen Percussionisten, der 1993 noch tief im Jazz-Rock verwurzelt war, auch wenn er einige Jahre später sich immer stärker auch den weltmusikalischen, ethnischen Musik-Einflüssen zuwandte.

Bereits die erste Ansage und Band-Vorstellung in Deutsch erfreut das Bremer Publikum, auch wenn Gurtu dann in Englisch weiterspricht. Auch zu den anderen Songs gibt Gurtu ausgiebig, mal deutsch, mal englisch, Hintergründe preis und beweist dabei immer wieder seinen ausgeprägten Sinn für Humor, egal ob er diesen auf Deutsch, Englisch, Französisch oder in seiner indischen Muttersprache zum besten gibt.

Insgesamt sehr ruhig gehalten, fast etwas hypnotisch-verträumt beginnt das Konzert am 29. November 1993 - also vor fast genau 22 Jahren - in Bremen. Erst ein langes Percussion-Solo in „Blessings In Disguise“ mit den unglaublichsten Schlag- und Natur-Instrumenten, das voller Leidenschaft und Atmosphäre „ausgefochten“ wird, nimmt das Konzert unerbittlich Fahrt auf. Nach diesen 14 „Blessings In Disguise“-Minuten bleibt ein schwer beeindruckt Hörer zwischen den Boxen zurück und fragt sich, ob so etwas tatsächlich live möglich ist. Auch die absolute Stille beim Bremer Publikum beweist, wie gebannt es in diesem percussiven TRILOK GURTU-Klang-Kosmos schwebt, während auch Bass und Keyboard darin ihre leuchtenden Momente, mal wie die Sonne, mal wie der Mond und die Sterne, in ihn hineinzaubern. Diese Momente gibt es en masse auf „Crazy Saints“ zu genießen.

Das sind keine „verrückten Heiligen“, sondern „heilige Musiker“, die einen mit solch unglaublicher Musik in den Wahnsinn treiben. Den schönsten Wahnsinn, den es überhaupt geben kann, nämlich den Wahnsinn über unsere Ohren. Und wie sagte es schon der Philosoph und Naturforscher Lorenz Oken: „Das Auge führt den Menschen in die Welt - das Ohr führt die Welt in den Menschen!“
(Vielen Dank an TOXIC SMILE - von denen immerhin drei Musiker bereits Mitglieder der STERN-COMBO MEISSEN waren - und auf deren neuster CD „Farewell“ dieses Zitat zu finden ist!)

Bei TRILOK GURTU erschließt sich uns eine völlig neue Welt, in die wir über unsere Ohren eintauchen dürfen und die, selbst wenn das Doppelalbum längst verklungen ist, sich darin verankern wird und uns nicht mehr loslässt. Offene, aufgeschlossene Ohren natürlich vorausgesetzt! Im 16seitigen Booklet zu diesem Live-Album liest sich das beispielsweise so: „Es gibt einen Moment im Jazz, der über Tod und Vergänglichkeit triumphiert, es leuchtet weiter, wie das Olympische Feuer. TRILOK GURTU ist einer der großen Fackelträger dieser Musik.“ Da kann auch der Kritiker dieser Zeilen den Ausführungen von Karl Lippegaus nur zustimmen.

Jede Menge dieser Momente sind auf „Crazy Saints Live“ zu erleben.
„Living Magic“ glänzt zum Abschluss der ersten CD durch ein ausgiebiges Bass-Solo und ein paar witzigen, von TRILOK GURTU eingestreuten Lauten, welche die bis dahin so schweigsam lauschenden Zuhörer sogar zum Lachen bringen. Und dieses Vergnügen wird natürlich auf der zweiten CD fortgeführt.

Im zweiten Teil des Konzerts nimmt der Rhythmus deutlich an Fahrt auf, auch „singt“ Gurtu in der ihm ganz eigenen Klangfarben-Sprache und auch Pianist DANIEL GOYONE erhält sein ausgiebiges Piano-Solo auf „Barcarolles No. 8 & No. 5“, eine von ihm selbst komponierte, verträumte Partitur, die jedem noch so gefühlvollen EINAUDI- oder YANN TIERSEN-Stück nicht nur locker das Wasser zu reichen, sondern es auch zu überspülen vermag. Nur dass eben anno 1993 ein Einaudi und Tiersen bei uns noch gar nicht angesagt waren.

Das fast 20 Minuten lange „Pascha‘s Love“ entwickelt sich zum puren Rock-Stück mit treibendem E-Bass und hart rockendem Schlagzeug, dazu feuert das Piano sein schnelles, fast stakkatohaftes Feuerwerk der schwarzen und weißen Tasten ab. Ja, jetzt ist es raus! TRILOK GURTU war vier Jahre lang festes Mitglied von JOHN McLAUGHLINs MAHAVISHNU ORCHESTRA. Und dieses rockige Meisterwerk ist eine Hommage daran, genauso wie an eine Vielzahl der besten WEATHER REPORT-Momente!

Die Aufnahmequalität ist hervorragend - so hervorragend, dass man glauben könnte, sie wären in einem Studio und nicht auf einer Konzertbühne vor 22 Jahren im Jahr 1993 entstanden.

In einem Gespräch mit laut.de bringt TRILOK GURTU es auf den Punkt: „Musik ist wie Gott: sie hat keine Farbe, keine Form und keinen Namen. Was bleibt übrig? Sie zu akzeptieren wie sie ist. Das Real Thing ist, was wirklich in uns steckt - ohne Schmutz. Der Faden ist farblos. Ich will zeigen, dass Musik eins ist - ohne Wörter, Sprache und Erklärungen. Wir bauen Brücken und keine Barrieren."

Am Ende ist selbst das Publikum dermaßen euphorisch, dass man es kaum zu glauben vermag. Denn jeder Einzelne, egal, ob er live vor der Bühne saß oder „nur“ zwischen seinen Boxen oder unter Kopfhörern sitzt, wird in dieser Welt des unglaublichen Jazz-Trios um TRILOK GURTU gefangen sein!

FAZIT: Schrieb ich eigentlich schon, dass Gurtu ein (Musik-)Gott ist?
Ja?!
Woran man das sieht?
An dem, was er schafft!
Musik, die klingt, als wäre sie nicht von dieser Welt und die nur eins zum Ziel hat: ‚Brücken statt Barrieren zu bauen‘!
Wenn Gurtu Gott, aber nicht Gur(t)u ist, dann einer, den man sieht und hört und in dessen Namen man garantiert nicht tötet, sondern ausschließlich liebt!
Unter solchen Voraussetzungen wäre ich durchaus geneigt, noch einmal über meine agnostische Grundeinstellung nachzudenken. Zumindest sagen mir das meine Ohren, welche mir die Welt von TRILOK GURTU erschlossen haben. Eine Welt, in der man sich einfach nur wohlfühlen muss und in der keine Kriege und mörderische Attentate geführt werden!
Eine Welt, in der man statt laut zu beten, leise zuhört und dabei glücklich ist.

PS: Würden wir Live-Aufnahmen mit Punkten bewerten, dann hätte dieses Konzert unzweifelhaft die höchste Punktzahl von mir erhalten. Besser geht‘s einfach nicht!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3928x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Tracklist:
  • CD 1 (61:19):
  • Chaint D‘oiseau / VAK
  • Baba
  • Tillana
  • Blessings In Disguise
  • The Sequel / Living Magic
  • CD 2 (57:46):
  • No Discrimination
  • Goose Bumps / Bouches D‘or
  • Barcarolles No. 8 & No. 5
  • Danse Des Lamantis
  • Pasha‘s Love
  • Tac Et Demi / Maracatu

Besetzung:

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