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Ironie + List: Parallel °Monologisierung (Review)

Artist:

Ironie + List

Ironie + List: Parallel °Monologisierung
Album:

Parallel °Monologisierung

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Postrock, Ambient, Jazz, Elektronische Musik

Label: Galileo Music
Spieldauer: 52:13
Erschienen: 27.09.2025
Website: [Link]

Oh yeah! Wir sind ja sowas von intellektuell!!! Und wenn ihr uns nicht versteht, dann seid ihr eben die Doofen.
Also nehmt das: „Parallel °Monologisierung verweigert sich der Illusion harmonischer Einheit und artikuliert stattdessen eine Ästhetik radikaler Autonomie...“
So und nicht anders beginnt der ellenlange Begleittext im dreiflügeligen Digipak dieses Albums, um dann auf diese Art zu enden: „Eine musikalische Versuchsanordnung einer Antithese der Unvereinbarkeit, manifestiert sich vielleicht auf dieser Platte, alle Beiträge unabhängig voneinander entstanden – unwissend, autark, nicht aufeinander bezogen, fragmentiert zusammengeführt.“


Herrje! Was wollen uns IRONIE + LIST mit diesem eigenartigen 'Geschwafel auf hohem Niveau' hier eigentlich verklickern?
Wer sich den gesamten Text vor dem Hören des Albums komplett durchliest und zu verstehen versucht, hat im Grunde danach kaum noch Bock darauf, die Musik hinter solchem auf intellektuell getrimmten Schwurbeltext, in dem zudem auch noch gegendert wird („Unter Rückgriff auf das Konzept der 'parallelen Monologisierung' wurden Akteur:innen der Klangproduktion, die sich in ihrer Herangehensweise stark voneinander unterscheiden, isolierte Fragmente zur freien Improvisation übergeben.“ Da bekommt der Kritiker*in Blas:innen an den Fingerch_innen beim Schreiben und mutiert zum/*r kleinen//innen Archloch*in!), zu hören.


Genau das aber wäre ein Fehler, denn für alle Freunde von experimenteller Jazz-Musik der modernen Art, die von Bläsern und klangvollen elektronischen Effekten lebt, ist „Parallel °Monologisierung“ eine Entdeckung, die ähnlich komplex und schwierig wie besagter Begleittext daherkommt. So gesehen versteht man nach dem gut 50 Minuten langen ersten Hördurchgang doch tatsächlich auch den Text erst ein wenig besser – und nach wiederholtem Hören erschließt er sich einem tatsächlich voll umfänglich.
Und zum Glück ist es in der Musik ja eben nicht möglich zu gendern. Denn genau das wäre die musikalische Jauchegrube zwischen Kunst und Beklopptheit. Manchmal ist es eben von dem einen zum anderen nur ein klitzekleiner Schritt – und man landet genau in dieser Jauchegrube, wie wir es noch immer manchmal bei unserer eigenen Muttersprache erleben, indem sie irgendwelche Knallköpf*innen unbedingt zur Stiefmuttersprache degenerieren wollen, indem sie irgendwelche Sonderzeichen zwischen die Buchstaben quetschen!

Und ja doch: „Der Monolog wird zur künstlerischen Geste des Widerstands gegen die erzwungene Kohärenz des Mainstreams – die normierende Kraft des Konsens.“


Dieser verspielte, oft etwas melancholische Jazz wehrt sich offensichtlich gegen vorgegebene Strukturen, gegen das Mit- und Hinterherlaufen der Musik-Lämmer auf dem Weg nach Angepasstheit, die angeblichen Erfolg bringt und gegen all den Mainstream, den man uns heutzutage als das Maß aller Dinge anpreist, obwohl es definitiv noch nicht einmal Mittelmaß ist. Denn mehr kann man den auf Mittelmaß getrimmten Zeitgenossen dieser Gesellschaft nicht zumuten. Und genau die werden mit IRONIE + LIST – so bekommt auch der Bandname nunmehr einen echten Sinn – maßlos überfordert sein.


Bittesehr, dankesehr – denn plötzlich werden beim Hören dieser Musik selbst die Kritikerworte so ähnlich wie der Text, den man anfangs so unangenehm seltsam und unverständlich empfand: So lange bei IRONIE + LIST nicht das Geräusch des unerwarteten Setzens auf ein heimlich drapiertes und klug verborgenes Furzkissen nicht auch noch zur höchsten Geräuschkulisse hinter diesem Album werden lassen, wagen wir uns einfach mal vorsichtig an das Album heran, dessen „Begriff damit für ein künstlerisches Konzept [steht], das Disharmonie und Widerspruch nicht als Defizit, sondern als Voraussetzung echter Kreativität begreift“.


Übrigens wird uns genau dieser Text auch von einer weiblichen Stimme gelesen dann in „Fallschlag“ erneut begegnen.
Ein befreiender Text, der uns zeigt, dass wir uns dem Mainstream entziehen müssen, um die Freiheit genießen oder einfach erstmal nur erleben zu können.

Und plötzlich ist sie da: die Begeisterung!
Und sie bleibt!
Kein Mittelmaß, sondern unangefochtener Wagemut, den so kaum wer hören will, weil ihm Mittelmaß und Radiokultur reicht und er dadurch genau zu dem wird, was IRONIE + LIST nicht sind.


FAZIT: IRONIE + LIST sind die absoluten Totalverweigerer, wenn es darum geht, angepasste Klänge (oder auch Worte) für angepasste Menschen zu erzeugen, die einfach nur funktionieren sollen und irgendwann auch wollen. „Parallel °Monologisierung“ ist der innere nach außen getragene Widerstand gegen Harmonie und Schönklang im Interesse musikalischer Freiheit und mutigen Experiments, die sich zwischen oft ruhigerem, mitunter gar postrockig steigendem Jazz und extrem verspielten Electronics entfalten. Alles sehr verkopft – und gerade darum am Ende auch richtig gut, wenn man seine Bereitschaft erkennen lässt, sich auf dieses gewagte Musik-Experiment einzulassen, das sich tatsächlich improvisatorisch irgendwo zwischen MILES DAVIS und BRIAN ENO einzurichten versucht.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 142x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
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Tracklist:
  • Torso
  • Fluten
  • Re_werk
  • Schlüsselblick
  • Ziegelbrenner
  • Disstorte
  • Deadpan
  • Fallschlag
  • Vibrant
  • Postset
  • Wank
  • Ackerriss

Besetzung:

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