Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

The Tallest Man On Earth: Henry St (Review)

Artist:

The Tallest Man On Earth

The Tallest Man On Earth: Henry St
Album:

Henry St

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Americana, Folk, Singer/Songwriter

Label: ANTI-Records/Indigo
Spieldauer: 42:05
Erschienen: 14.04.2023
Website: [Link]

Also – um es vorab gleich klarzustellen: 'Der größte Mann der Erde' trägt den Namen Kristian Matsson und kommt aus Schweden.
Wer's nicht glaubt, der höre bitte „Henry St“ von THE TALLEST MAN ON EARTH und beschränke diese Aussage einfach auf die intensiv vom Folk geprägte Musik und Texte sowie Kompositionen hinter diesem Album, das wirklich ein ganz großes geworden ist – selbst wenn es in erster Linie von den fragilen, ruhigen, melancholischen und mitunter herzerwärmenden wie -zerreißenden Klängen lebt. Und selbst wenn Matsson von der Suche nach wahrer Liebe in „Looking For Love“ singt, wirkt nichts daran schmalzig oder pathetisch oder pop-naiv, sondern ist hintergründig kritisch und nimmt einen auf die eigene Achterbahnfahrt der Gefühle mit.

Und während der 'Rolling Stone' tatsächlich im Eröffnungssatz seiner Review zu „Henry St“ echt unverschämt von 'niedlichen Stücken' spricht, kann jemand, der sich für dieses sehr emotionale Album etwas Zeit nimmt, nur mit dem Kopf schütteln, denn die Songs sind nicht niedlich, sondern bewegend, bissig und durchaus zu Herzen gehend. Wobei es allerdings ein Versäumnis ist, dass der LP zwar eine schön bedruckte Innenhülle beiliegt, aber die Texte zu den insgesamt 11 Songs darauf nicht zu finden sind. Die hätte man bei dieser poetischen Qualität sowie Intensität unbedingt abdrucken sollen.

Im Mittelpunkt des Albums, das durchaus konzeptionell unter dem Blickwinkel angelegt ist, dass man als Mensch ein Teil dieser Welt ist und sich als solcher auch verstehen und danach handeln sollte, steht darum der todtraurige Titelsong im Mittelpunkt, den der Schwede als das Herzstück dieses THE TALLEST MAN ON EARTH-Albums versteht: „Der Song handelt davon, dass wir getäuscht werden, wenn man uns immer auf Erfolg zu programmieren versucht. Erreichen wir diesen, ist das keine Lösung. Stattdessen sollten wir einen Schritt zurücktreten und uns die Frage stellen: Warum mache ich das eigentlich alles?“

Und weiter geht’s, nämlich wenn man zu dem Album zudem wiederum beim besagten Magazin liest, dass THE TALLEST MAN ON EARTH sich irgendwo, aber immer wieder, zwischen BOB DYLAN und NEIL YOUNG bewegt, auch dann bleibt einem nur ein ungläubiges Kopfschütteln übrig, denn das einzige, was Kristian Matsson vielleicht verbreitet, ist eine innige Atmosphäre, welche ein wenig an diese beiden legendären Americana-Singer/Songwriter erinnert, doch allein schon diese Matsson-Stimme lässt solche vergleiche keinesfalls zu, denn hier denkt man vokal wie auch instrumental viel eher an CONOR OBERST von BRIGHT EYES, aber auch den Singer/Songwriter BON IVER oder die jeden Song dynamisch steigernden MUMFORD & SONS und sogar die Wüstenfüchse WILCO sowie die traurig-nachdenkliche Americana-Band CURSE OF LONO lassen von ganzem Herzen grüßen.

Eigentlich verliebt man sich in „Henry St“ schon beim sich langsam in seiner Intensität steigernden Album-Opener „Bless You“ oder bei dem gefühlsintensiven „Every Little Heart“-Trauerkloß und verfällt ihm nach dem extrem warmen und rauen Saxofon-Solo von „Slowly Rivers Turn“ völlig, während dann „Major League“ in die Steppe abdriftet und unter intensivem Banjo- und Lapsteel-Einsatz im Country das 'Blue Grass' pflanzt, um es dann sogar mit ein paar überraschenden Electronics zu düngen und in bester MUMFORD & SONS-Manier erneut eine ordentliche Temposteigerung hinzulegen.

Doch während man noch beim flotten rhythmischen Mitwippen ist, folgt mit dem die LP-A-Seite abschließenden Titelstück, bei dem Matsson, ausschließlich von einem Piano begleitet, eine der fragilsten und traurigsten Balladen singt, die man sich vorstellen kann – und die übrigens auch ein (Wenn die schon so viele bemühen…) BOB DYLAN oder NEIL YOUNG in keiner Weise besser hinbekommen hätte. Mit Gänsehaut erhebt man sich dann, um die Platte umzudrehen und zu rätseln, was einem wohl nach solch bewegender Ballade nun bevorsteht.

Oh, die Antwort ist natürlich auch hier überraschend.
Beschwingt geht es „In Your Garden Still“ zu, Matsson singt erst mit kräftiger, dann verhallter und leicht verzerrter Stimme, bis doch tatsächlich auch noch Hörner und Trompeten, ähnlich wie schon bei „Bless You“ zum Einsatz kommen.

Das ganze Album lebt von einem in sich geschlossenem Auf und Ab, das offensichtlich auch von Mattsons Ortswechsel aus der Riesenmetropole New York zurück in seine schwedische Heimat während der Isolation der Pandemie lebt, die ihn anfangs in seiner Kreativität blockierte, nun aber zur Erkenntnis bringt: „Die Abgeschiedenheit hat mich gelehrt, dass ich für den Rest meines Lebens Musik machen und auftreten werde, und dafür bin ich sehr dankbar. Es hat mir neues Selbstvertrauen und Spielfreude gegeben. Das ist es, was ich tue. Bedingungslos!“

Ähnlich zerbrechlich wie die LP-A-Seite mit der Titelsong-Ballade zu Ende ging, geht auch die LP-B-Seite und damit das „St Henry“-Album zu Ende, wenn Matsson auf „Foothills“ vordergründig zur akustischen Gitarre singt, während ihn im Hintergrund ganz ruhig ein Orgel begleitet und vom Sound her die 60er-Jahre einen letzten Gruß aus „St Henry“ senden.

FAZIT: Es ist bereits das sechste Album von THE TALLEST MAN ON EARTH, eine Folk- und Singer/Songwriter-Band unter der Federführung des großartigen schwedischen Sängers und Gitarristen Kristian Matsson, der während der Pandemie von der Riesen-Metropole New York in seinen Garten nach Schweden zurückkehrte und Gemüse anbaute, weil er, statt kreativ zu sein, in dieser Zeit nur noch die „Dunkelheit kommentieren“ konnte. Schlagartig endete der Zustand, als Matsson und seine Band endlich wieder auftreten durften und der schwedische Singer/Songwriter wie wild zu schreiben begann und alle während dieser langen Zeit gesammelten Eindrücke sich nun in seinem sehr abwechslungsreichen Album „St Henry“ niederschlugen. Darum ist dieses Album auch das erste, welches der Schwede, statt solistisch, komplett mit seiner Band einspielte. Eine unglaubliche Bereicherung, denn dementsprechend entfalten die sehr emotionalen Songs ihre ganze Bandbreite und wirken lange Zeit nach. Mattson ist definitiv keiner, der wie B. Dylan oder N. Young klingt, sondern einer, der selbstbewusst und sehr eigenständig sowie gleichberechtigt mit seiner ganz eigenen Art zwischen den beiden steht.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1498x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Seite A (21:57):
  • Bless You (4:03)
  • Looking For Love (3:35)
  • Every Little Heart (3:09)
  • Slowly Rivers Turn (3:35)
  • Major League (3:06)
  • Henry St (4:29)
  • Seite B (20:08):
  • In Your Garden Still (4:29)
  • Goodbye (4:04)
  • Italy (4:30)
  • New Religion (4:24)
  • Foothills (2:41)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Welches Tier gibt Milch?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!