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Interview mit Daylight Dies (18.03.2006)
Daylight Dies – Fragen an Jesse Haff
Ich wurde im Vorfeld gewarnt, Euch nicht mit Katatonia zu vergleichen – hab´ ich nicht und werde ich auch nicht. Dafür höre ich aber Opeth, vor allem während der ruhigen Passagen Eurer Musik heraus. Was hältst Du davon?
Wenn man beim Hören Vergleiche anstrebt, findet man sie auch. Barre und ich hören schon skandinavische Bands seit Beginn der Neunziger. Daher sind sie ein natürlicher Teil unseres Sounds. Im Gegensatz zu anderen Amerikanern ist es nichts Neues für uns. Abgesehen von Nicht-Metal wie The Cure, Sigur Ros oder Fields Of The Nephilim zählen Bands wie Paradise Lost, sentenced, Death und alte Metallica zu unseren Einflüssen.
Warum habt Ihr Relapse nach nur einem Album den Rücken gekehrt? - Was bedeutet das kürzlich von ihnen veröffentlichte Livealbum in diesem Zusammenhang?
2003 tourten wir mit Katatonia, durch Europa und mit Lacuna Coil durch die USA und Kanada. Dadurch konnten wir die Band deutlich voranbringen und bekamen zahlreiche Angebote hochkarätiger Tourneen. Unser Sänger beschloss, die Band zu verlassen und in Kalifornien zur Schule zu gehen, wodurch wir natürlich diese Tourangebote nicht wahrnehmen konnten. Relapse waren offenbar nicht sehr angetan davon, so dass wir anfingen, einen neuen Sänger zu suchen und das neue Album zu schreiben. Nach einem Jahr gingen wir zurück und fragten sie nach Geld, um das Album aufzunehmen. Logischerweise waren sie mit ganz anderen Dingen beschäftigt – Bands wie Mastodon starteten gerade durch. Da wir ein ganzes Jahr lang nicht aktiv waren, waren wir keine Priorität mehr, was die Zahlungen für den Studioaufenthalt mehrmals verzögerte. Wir machten unseren Ärger deutlich, und sowohl die Band als auch Relapse waren sich einig, besser getrennte Wege zu gehen. Wir suchten nach einem neuen Label, bekamen mehrere Angebote und entschieden uns für Candlelight.
Das Livealbum war ganz allein die Idee von Relapse. Sie taten dies mit jeder Band, die am Relapse Contamination Festival 2003 teilgenommen hatte. Es war das erste Mal damals und deshalb etwas Besonderes für sie. Sie wollten es auch mit separaten Live-CDs der Gruppen feiern, und wir gehörten natürlich dazu.
Ich erwarte nun nicht, dass Ihr eure Plattenfirma kritisiert, doch ich hatte einige Schwierigkeiten, Informationen über Euch herauszubekommen. Die Promo-CD bot nicht viel Relevantes – nicht einmal euer Lineup. Natürlich verstehe ich auch die Maßnahmen gegen vorzeitiges Erscheinen der Musik im Netz, doch wenn man ein Album in 99 Indizes unterteilt ohne Songtitel anzugeben finde ich nicht sehr schlau. Nimmt man hinzu, dass dem Rezensenten ein Eindruck vom Artwork, dem Layout und den Texten verwehrt bleibt, kommt man auf den Gedanken, dass Candlelight überhaupt nicht an den künstlerischen Aspekten interessiert sind, die mit eurer Musik einher und darüber hinausgehen. Obwohl Musik für sich selbst stehen sollte, würde angemessene Information eine tiefgründige Bewertung eures Materials ermöglichen.
So etwas hören zu müssen ist ärgerlich und traurig. Aus unserer Sicht sind Layout und Texte gemeinsam mit der Musik Bestandteile des Ganzen; sie sind Teil der „Kunst“ die wir präsentieren möchten und gehören zusammen. Allerdings liegt es nicht in unseren Händen, wie Candlelight ihre Promotion-Arbeit gestalten. Daher kann ich dazu nicht mehr sagen.
Dem epische Ausmaß Eurer Songs und dem emotionalen Vortrag nach zu urteilen sind Eure Texte sicher ziemlich tiefgründig. Könntest Du mir einen kleinen Überblick zu den Themen auf der Scheibe geben?
Das Hauptthema von Dismantling Devotion ist das Auseinanderbrechen von Beziehungen –der intimen wie auch der nicht so engen. Es geht um das Zerstören tiefer emotionale Bande, die man in seinem Leben mit Anderen knüpft. Es ist schwer, über diese Thema sogar mit engen Freunden zu sprechen, doch durch die Musik und die Lyrics kannst du es irgendwie herausbekommen, um dich von diesen Gefühlen zu befreien.
Was ist bei Euch dort drüben los, dass die amerikanische Doom-Death-Szene momentan so stark ist? Mit November´s Doom oder Euch gibt es einige wirklich herausragende Gruppen, die – wenn Du mich fragst – längst ähnliche Bands wie My Dying Bride hinter sich gelassen haben?
Wir haben nichts von einer starken Szene in Amerika mitbekommen, doch ich höre das immer wieder in Interviews. Also ist wohl etwas dran. Momentan fühlen wir uns aber wirklich isoliert von jedweder Szene. Wir haben schon immer unser eigenes Ding durchgezogen und versucht, es zu verbessern. Wir sehen uns echt nicht als Teil einer Szene, aber ich bin froh zu hören, dass es ihr gut zugehen scheint.
Meine Standardfrage: Wie viel der Musik ist eine reiner Gefühlsausdruck Eurer selbst, und was kommt von anderen Musikern, die Euch darin beeinflusst haben, wie Ihr Euer Material verfasst? Wäre die Musik ohne den Einfluss außenstehender Bands anders? – Gib Prozentangaben, wenn du willst...
Musik ist immer von anderer Musik beeinflusst, und wer das bestreitet, belügt sich selbst. Sicher ist unsere Musik Ausdruck unseres Inneren, doch ein Teil dieses Inneren besteht aus den Musikvorlieben, die wir in unserer Jugend entwickelt haben und die uns zu den Musikern gemacht haben, die wir heute sind. Jeder ist ein Produkt dessen, was vor ihm da war – manchmal mehr oder weniger offensichtlich und teilweise, weil der Hörer die jeweiligen Einflüsse nicht kennt. Davon abgesehen machen wir dies nun schon lange genug und glauben, eine musikalische Eigenständig zu besitzen, die wirklich ausdrückt, wer wir sind.
Wie seid Ihr an den Emperor-Support für die US-Reunion-Shows gelangt? – Klingt nach einer Ansprechenden Kombination, denn stilistisch derart verschiedene Gruppen garantieren eine längere Aufmerksamkeitsspanne als beispielsweise bei dreistündigen Blast-Orgien.
Erst einmal sind wir bei der selben Plattenfirma, und die Promoter dachten, unsere Musik unterscheide sich deutlich genug von der Emperors, um die Konzerte abwechslungsreich zu gestalten; gleichzeitig spielen wir ebenfalls dunkle Musik, so dass das Publikum einen Zugang finden kann. Es stimmt, dass drei Stunden Blastbeat einfach zu viel sind!
Was erwartet Ihr von der neuen Platte? Gibt es weitere Konzertpläne? Ich schätze, es dürfte schwierig sein für eine Band wie Euch, auf eine Tour aufzuspringen, vor allem auf einem so überfüllten markt wie Europa und Deutschland im Besonderen.
Meinst Du? Ich glaube nicht, dass unsere Musik Teil eines überfüllten Marktes ist, sondern viel eher Power Metal, Metalcore oder auch Black Metal. Zumindest hoffe ich, dass wir etwas leicht Anderes machen. Wir haben erfolgreiche Konzerte in England, Irland, Belgien und Holland gespielt – und das allein mit unserem Debüt. Daher kommen wir hoffentlich wieder zurück nach Europa - jetzt, da wir ein zweites und stärkeres Album veröffentlicht haben – um die Stücke mit den Leuten zu teilen. Dass es teuer ist stellt das größte Problem dar...wir werden sehen.
Woher kommen Eure weiteren Einflüsse abseits des Metal, und welche anderen Kunstformen – Literatur, Filme, Malerei - inspirieren Euch?
Wie gesagt: Wir hören uns Dinge an wie The Cure, Fields Of The Nephilim, Sigur Ros, Lanterna, Hammock, Red House Painters, Slowdive, Dredg, Mono, Tenhi, Arcana, Dead Can Dance, The Smiths, Depeche Mode, David Darling, David Sylvian, Nine Horses oder Paatos. Ich könnte noch mehr nennen, und die Anderen in der Band könnten Dir ihre eigene Auswahl geben – auch Filme, Bücher und Bilder. Filme wie Der Maschinist und besonders David Lynch sind sehr inspirierend.
Andreas Schiffmann
(Info)
Alle Reviews dieser Band:
- Daylight Dies - Dismantling Devotion (2006)
- Daylight Dies - Lost To The Living (2008)
- Daylight Dies - A Frail Becoming (2012)